■ Querspalte: Turban, Mond, Kräuter
Hinter dem Tulpensträußchen des Niederländers lauert der Chefinquisitor. Schon dem Liebesapfel (die Tomate) haben sie das Antlitz der Sonne entzogen. Jetzt gehen sie den Mondanbetern zwischen Hollands Grachten an den Kragen. Der religiösen Minderheit wird eine rituelle Stätte verweigert. Dabei will die lunare Gemeinde nichts Harmloseres als bei Vollmond singen, trommeln, tanzen und Kräuter opfern. Und wer will das nicht? Nun soll ein Planfeststellungsverfahren beim Sachbearbeiter des Ordnungsamtes Bilthoven auf öffentlich geduldete Anbetung von Himmelskörpern den Mondgläubigen eine Opferstätte in dem von Hundekot verwüsteten Stadtpark sichern.
Aus einem Wald sind sie verjagt worden, weil dort die liturgischen Verrichtungen zu Ehren des Trabanten angeblich die Tiere belästigten. Gemeindesprecher Rob van Moort zweifelt indes, ob der Stadtpark für die somnambulen Mondisten „romantisch genug ist“. Wir notieren: vorgegaukelte Anteilnahme, Verhöhnung, erbarmungslose Unterdrückung.
Von Bilthoven führt die repressive Spur nach Haarlem. Einem indischen Hotelangestellten haben sie die Brandeisen angelegt. Der Mann gehört zur Glaubensgemeinschaft der Sikhs. Er muß deshalb – auch im Lift und am Empfang – Bart, Turban und Krummdolch tragen. Gefeuert! Die Gäste hätten sich vom Dolch bedroht gefühlt. Der Inder kämpft jetzt vor Gericht um Turban, Bart und Stichwaffe, die er stets dezent unter dem Gewand trug.
Alltäglichste Insignien des Glaubens werden benutzt, um Menschen in die Arbeitslosigkeit zu treiben. Gläubige werden ghettoisiert. Plätze zum Beten verweigert. Weiser Erasmus von Rotterdam, bring Licht ins finstere Goudaland! Sonst könnten sich schon bald Mondisten und Sikhs zur großen pantheistischen Bewegung formieren, um, mit Bart, Turban und Kräuterkörben rasselnd, trommelnd und tanzend, Sachbearbeiter zu schlachten. Mit dem Krummdolch. Bei Vollmond. Willst du das, liberaler Niederländer? Manfred Kriener/Thomas Worm
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