■ Querspalte: Berlin mit Noppen
Das Selbstbild ist oft ein anderes, als das Bild, das sich die anderen von einem machen, wobei man lang darüber streiten könnte, welches Bild denn nun das richtige sei – das der anderen oder das subjektive, das man von sich selber hat. Neulich führte das „Deutsche wirtschaftswissenschaftliche Institut für Fremdenverkehr“ (DWIF) zum Beispiel unter europäischen Hotel- und Reiseexperten eine Umfrage durch, in der es darum ging, was ihnen berlinhauptstadtmetropolentypisch erscheinen würde. Heraus kam Kränkendes: Der Berliner Bär wurde gar nicht genannt, das Brandenburger Tor kaum.
Weitaus bekannter als die Symbole, mit denen die Hauptstadtvermarkter seit Jahren erfolglos Touristen in die Stadt locken wollen, ist das Beate-Uhse-Erotikmuseum. „Selbst in Indonesien wurden wir darauf angesprochen“, so Hauptstadtvermarkter Hanns-P. Nerger.
Interessant, interessant. Bei Berliner Journalisten sieht's ähnlich aus. Private Recherchen ergaben, daß zwar jeder das Brandenburger Tor kennt, doch kaum einer weiß, warum es da rumsteht. Meist mutmaßte man, daß es nach dem Sieg im Deutsch-Französischen Krieg errichtet wurde, der, wie sich die Älteren unter uns erinnern, ja nicht ganz so ungetrübt war – nach dem Foul von Schumacher an Battiston, hätte der natürlich vom Platz fliegen müssen. Wie auch immer.
Interessanter für eine Theorie der Berliner Befindlichkeit zur Jahrtausendwende ist Beate Uhse allemal. Was gibt's da nur für interessante Bücher („Der G-Punkt in Wort und Bild“) und Sachen: den „Klitoris-Total-Reizer“, den „Anus- Entzücker“, den „Vagina-Exzeß-Aufsatz“, den „prallen Orgasmus-Beschleuniger“, diverse „Stoß- und Saughöhlen im Taschenformat“ oder die „Popo-Pumpe“. Dinge, die auf schwere Verstörungen und eine Depression deuten, der man vielleicht Herr werden könnte, wenn man offensiv damit werben würde. Für die „Berlin-Tourismus-Marketing GmbH“ bleibt dennoch das Brandenburger Tor Berliner Werbesymbol Nummer 1. Mit Noppenaufsatz. Detlef Kuhlbrodt
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