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■ QuerspalteThe number of the beast

Aberglauben ist auch in unserem, ansonsten recht gottlos gewordenen Abendland gegen den gesunden Menschenverstand so resistent wie die Teufelskralle gegen Unkraut-Ex. Überall wissen die Hotelportiers daher trickreich und menschelnd dem irrationalen Unwillen der Gäste ein Schnippchen zu schlagen: „Gnä' Frau, Zimmer 12a, erster Stock...“

Das elektronische Verzeichnis der europäischen Staaten hingegen ist da weitaus weniger weitsichtig und hat bei der EU-Mitgliedskennziffervergabe ohne lange nachzudenken auch die Ziffernfolge 666 vergeben. Und 666 ist ja „seit antik-altgriechischen-prähistorischen Urzeiten“, wie es die Werbetafel einer – ach, was sag' ich? –, der Currywurstbude „Akropolisgrill“ in Wanne-Eikel so trefflich zu formulieren wußte, ja nicht irgendeine Ziffernfolge, sondern, wie es eine – was sag' ich? –, die Heavy-Metal-Combo Iron Maiden einige Millennien später so trefflich zu formulieren wußte, „the number of the beast“ bzw., in manchen religiösen Kreisen, Symbol für den sogenannten „Antichristen“. Und laut EU-Rechner soll nun ausgerechnet das sonnige Mittelmeerparadies Griechenland, Ursprung der abendländischen Kultur und Sitz der ziemlich orthodoxen griechisch-orthodoxen Kirche, der Antichrist Europas sein. Kennziffer 666.

Grund genug also für diverse griechisch-religiöse Vereinigungen, zu einer Anti-Antichrist-Demo vor dem Parlament in Athen aufzurufen. Weil die Parlamentarier derzeit das Schengener Grenzabkommen ratifizieren wollten, standen am Montag rund 2.000 gewalttätige Demonstranten vor dem Parlamentsgebäude, darunter zahlreiche Popen der griechisch-orthodoxen Kirche mit Kruzifixen und Spruchbändern mit aufgemalten Ikonen und was es sonst noch so gibt an religiös-irrationalem Schnickschnack.

Mit Tränengas ging die Polizei gegen die christlichen Demonstranten vor. Gegen Christen also. Was den Verdacht aufkommen läßt, der EU-Rechner sei bei seiner Numerierung so unsensibel vielleicht gar nicht gewesen. Christoph Schultheis

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