■ Querspalte: Menschen, Mars und Mikrowelle
Der Spieltrieb des Menschen ist unersättlich und fördert ein Leben lang seltsame Entdeckungen zutage. Bei frühkindlichen Expeditionen mit dem Plastikkipper durch den heimischen Sandkasten macht sich zunächst noch harmlos bemerkbar, was später, wenn Vater und Sohn ferngesteuerte Rennwagen im Stadtpark fahren lassen, seine leicht debile Ausprägung findet.
In fortgeschrittenem Alter aber braucht der Mensch dann schon ein richtiges Marsmobil. Und Fotos müssen her, „gestochen scharf“, die den Ausflug dokumentieren, wie es unter Touristen gebräuchlich ist. Ach, wie jubelten die Experten in Pasadena, als sich ihr „Sojourner“ langsam in Bewegung setzte. Man denke: Das Ding hinterläßt Spuren im Staub des Mars! Es rollt über kleine Steine hinweg! Es macht rötliche Bilder, auf denen – ja ist das denn zu fassen! – viele Felsbrocken und gar stattliche Hügel am Horizont zu erkennen sind.
Sicher, die Spielzeuge der Erwachsenen sind ziemlich teuer (460 Millionen Mark), aber es geht ja auch um wichtige Dinge: um die Geschichte und den Fortschritt und die Zukunft – oder wenigstens um Ruhm und Ehre der USA. Deshalb mußte „Sojourner“ pünktlich zum amerikanischen Unabhängigkeitstag am 4. Juli auf dem Mars aufschlagen, während die armen Russen wie bestellt an ihrer desolaten Raumstation herumwerkelten. Deshalb steht in jedem Zeitungsartikel, das Marsmobil habe die „Größe eines Mikrowellenherdes“ – als ließe sich nur mit diesem Symbol amerikanischer Alltagskultur sein wahres Format treffend beschreiben. Deshalb erhielt es einen Namen, der nicht nur nach „Journey“ klingt und an „Solaris“ erinnert, sondern vor allem an Sojourner Truth, eine Schwarze, die zur Zeit des Bürgerkriegs die Abschaffung der Sklaverei gefordert hatte. Ob das als freundliche Erinnerung für später mal gemeint ist, wenn der Mars dann endlich besiedelt ist – mit Menschen, Marsmobilen, Mikrowellenherden? Menschenrechte und Demokratie kann man gar nicht früh genug einklagen. Jörg Magenau
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