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■ QuerspalteHilfe im Kampf

Sie sind weltfremd und rascheln den ganzen Tag mit Formularen. Weil sie nicht einen Satz gerade formulieren können, suchen sie Stütze bei vorgedachten Textbausteinen. Über alldem sind sie getrieben von einer Verschwendungssucht beim Geldausgeben, denn sie verprassen ja nicht das eigene, hart erarbeitete Salär, sondern anderer Leute mühsam verdiente Steuern. In Berlin sind sie anders. Hier entscheiden Beamte lebensnah unbd unkonventionell.

Michael K. hat die Folgen zu spüren bekommen. Hatte er doch verlangt, das Sozialamt möge ihm die Schulden bei der Stromgesellschaft Bewag bezahlen, sonst würde sein Herd nicht heiß und nur lausekaltes Wasser käme aus der Wand. – Antrag abgelehnt! „Es ist nicht unbedingt gesundheitlich erforderlich, täglich eine warme Mahlzeit zu sich zu nehmen, auch warmes Wasser für die Körperpflege ist medizinisch nicht notwendig.“ Ende der Durchsage. Gestern wurde das darbende Opfer in der Lokalpresse präsentiert. Mit waidwunden Augen gabelt der junge Mann Ravioli aus der Dose. In Decken gehüllt schläft er mit Schichten von Pullovern auf dem Sofa – ein Glück, daß das Kätzchen im Arm ein wenig Wärme verspricht. Das einfache Leben bietet doch tierisch heimelige Momente. Außerdem ist es gesund und erinnert an die Ursprünge unserer energieverschwenderischen Wohlstandsgesellschaft. „Unsere Vorfahren haben auch nicht warm gegessen, sondern roh.“ Recht hat Jörg Kundt, der Leiter des Sozialamtes des Bezirks Spandau.

Schoß in der Hütte von Robinson Crusoe warmes Süßwasser aus den Holzwänden? Sah man bei ihm einen Elektroherd? Keine Mark hatte er, keinen Strom, keine Heizung. Cholesterinprobleme, verursacht durch kroßgebratenen Bauchspeck, kannte er nicht. Friedlich sich selbst genügend verspeiste er im Beisein seines Papageis andächtig die eine oder andere Banane – das Paradies. Schön, wenn sich Beamte dessen erinnern und den wahren Wert der Sozialhilfe erkennen: Hilfe im Überlebenskampf. Annette Rogalla

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