■ Querspalte: Dichter ohne Not
In England sind nicht nur die allgemeinen Massen aufjauchzende Objekte diverser Verbesserungen. Auch das Weh der Dichter ist gerade dabei, sich ins Wohl zu verkehren. Immer mehr englische Institutionen leisten sich jedenfalls hauseigene Poeten. Fernsehanstalten und Großunternehmen, Grünanlagen und Fußballvereine stellen Verseschmiede als Teilzeitkräfte ein.
Für die BBC nahm gerade der karibische Dichter John Agard den Dienst auf, zur gleichen Zeit begann sein Kollege Peter Samson bei der Supermarktkette Mark & Spencer mit der Arbeit. Auch Kew Gardens, Londons Botanischer Garten, die renommierte Anwaltsfirma Mishcon de Reya und der Fußballclub Barnsley FC beschäftigen Literaten, wie die deutsche New-Labour-Postille FR berichtet. „Unser Plan ist es, Dichter in die Wartesäle der Nation zu schleusen“, so Chris Meade, Direktor der britischen „Poetry Society“. Er träumt von Dichtern in Arztpraxen, Zoologischen Gärten, in Flughallen und Waschsalons.
Das von Lottogeldern kofinanzierte Projekt verbessere „generell“ die Moral am Arbeitsplatz, so Meade. Und ist auch lustig. Und irgendwie toll. Dichter als Kunst am Bau in allen gesellschaftlichen Bereichen: Bushaltestellenlyriker, Zahnarztpraxenpoeten, Finanzamtswortjongleure, Schwimmbadromanciers. Vom sozialpolitischen Aspekt gar nicht zu reden. Die Sozialhilfequote unter Dichtern ist schließlich enorm, die Dunkelziffer ganz beträchlich. Während alle Welt viel Wind macht über arbeitslose Bergbauleute, darben lobbylos die „Ingenieure der Seele“ ohne Anspruch selbst auf Arbeitslosengeld.
Deshalb weiß man am Ende der Spalte gar nicht mehr so genau, was man am Anfang so komisch fand, verfehlt die anvisierte Pointe und rettet sich gerade so noch mit einem irgendwie passenden Vers der Berliner Dichterin Christiane Seiffert: „Nach 14 Gläsern Metternich / findet er viel besser mich“. Detlef Kuhlbrodt
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