■ Querspalte: Fußballerisch Dritte Welt
Was die „Aktion 3. Welt Saar“ so drauf hat, war über ihren Stützpunkt in 66674 Losheim hinaus bis vor kurzem nur wenigen Menschen bekannt. Dabei hat die Gruppe, wie sich ihrem Briefpapier entnehmen läßt, gleich sechs Projekte am Laufen – darunter ein Anti-Rassismus-Büro und eine Flüchtlingsberatungsstelle.
Derzeit jedoch herrscht Sauregurkenzeit für die Aktivisten. Die Vorhänge an Deutschlands Grenzen sind so eisern, daß kaum noch Flüchtlinge kommen, die nach Beratung fragen, und die saarländischen Rassisten haben sich in den kollektiven Winterschlaf verabschiedet. Am vergangenen Wochenende hatte die „Aktion 3. Welt“ jedenfalls genug Muße für einen Exkurs in ein Genre, in dem sich offensichtlich jeder Meinungs-Busineß-Mitmischer meint beweisen zu müssen. Wir reden hier mal wieder von Satire.
Anlaß für die kabarettoiden Gehversuche ist die humoristisch eigentlich kaum zu toppende Ankündigung der nordrhein-westfälischen Polizei, sie sei nicht in der Lage, im März den Castor-Transport zu eskortieren und gleichzeitig andernorts ein paar ortsunkundigen Autofahrern den Weg zu den Parkplätzen der Fußballstadien zu weisen. Die Initiative schlägt vor, „die Staatsgewalt“ könne „den Castor einfach stehen lassen, bis die Spiele vorbei sind“. Ihr Fazit: „Wir sind offen für Gespräche, denn wir wollen uns wegen den (!) Castorblockaden kein Fußballspiel entgehen lassen.“
Ganz abgesehen vom Humor: Eine Wortmeldung der „Aktion 3. Welt Saar“ zu dieser Sache ist ungefähr so plausibel wie eine des „Interessenverbandes deutscher Rockmusiker“. Schließlich rollt der Castor ja weder durch noch in die Dritte Welt. Andererseits ist das Saarland – möge der Fußball-Gott diesen paradiesischen Zustand noch lange erhalten! – das neben Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt einzige Bundesland ohne Profikickerclub, so gesehen also fußballerisch Dritte Welt. Fühlen sich die Jungs und Mädels aus Losheim etwa deshalb zuständig? René Martens
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