piwik no script img

■ QuerspalteHumorresistent

Nichts scheint mehr normal in der Session 1997/98. Erst gab es diese jecke Schwulenproblematik um einen leibhaftig homosexuellen Prinzen in Düsseldorf, dann tobten leidenschaftliche Debatten den Rhein hoch und runter, ob blankgezogene Jeckinnenbusen statthaft sind oder schmutzig oder würdelos. Düsseldorf fand nackte Weiber klasse, das offizielle Karnevalsköln sagte: ekelhaft. Nein, das mögen wir nicht, das ist nicht komisch. Kölns Stunksitzung war auch bekleidet klasse, die Alternativ-Alternative Schnieke Prunz fiel aus, und der kölsche Kurfürst Regierungspräsident Antwerpes verging sich endgültig an der Tradition; er will keine Kerle mehr als Jungfrau im Dreigestirn: „Eine schöne schlanke Jungfrau ist sicher ein hübscherer Blickfang als die strammen Männer mit den künstlichen Brüsten.“

Und in Aachen, wo seit bald 50 Jahren der humorresistente „Orden wider den tierischen Ernst“ verteilt wird, hat die Strunx-Sitzung endlich den tierischen Ernst persönlich entdeckt und trägt ihn auf einer Sänfte als Alternativprinz durch Stadt und Saal. Aber schon im Weltall wissen sie nicht weiter: Ist das da die Mir oder die Mich? Was ist nur los in diesem Karnevalsland? Halt in verrückten Zeiten bieten nur das kosovo-albanische Narrenzentrum Lastrup im Oldenburgischen (siehe Seite 13), nicht aber die Umfragen: „Nur 52 Prozent“ der Bundesbürger, meldet dpa, finden Karnevalssitzungen witzig. Bitte? Wieso „nur“??? Über diese abgestandenen witzfreien Witzerzählstunden voller Rassismus und Peinlichkeiten sonder Zahl, dieses grunzgrottengrausame Stammtischgelalle, kann wirklich jeder zweite lachen? Jeder zweite!? Das ist ja, das bist ja, von du und ich schon du. Und wenn ich allein strunkshagelknüllevollbesoffen bin und im Spiegel mich doppelt sehe, dann bin ich es sogar selbst!? Automatisch? Also, wenigstens einer von den beiden da? Und das reicht schon? Ja, so simpel verjeckt man. So funktioniert Karneval. Ganz raffiniert das. So seid denn wieder alle blau – helaaf, ihr Jecke, und alau. Bernd Müllender

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen