■ Querspalte: Mut zur Lebensfreude
„Deutschland wirkt abwartend, unfroh und verunsichert. Die Lage der Nation erfordert mehr Selbstbewußtsein, Optimismus und Lebensfreude.“ Ja, wer hat das bloß gesagt: Vielleicht Gerhard Frey? Johannes B. Kerner? Dietrich Schwanitz? Nein, es war erstaunlicherweise keiner dieser drei Herren, deren Kreuzung einen Kanzler hervorbringen würde, den diese Republik so richtig verdient hat.
Die Lage der Nation analysiert hat vielmehr die Firma Moät & Chandon, die sich selbst als „Champagnerhaus“ tituliert. Und weil die Sprudelwasserproduzenten finden, daß „auch die Medien“ gefordert seien, dem verunsicherten Deutschland Optimismus einzuimpfen, haben sie „als Ansporn“ einen Preis ausgeschrieben für journalistische Beiträge oder „Konzepte“, die „Mut zur Lebensfreude“ machen. Bisher tat ein bißchen Mut jedem gut, der Bungeespringen oder einen Skinhead-Kleiderschrank vermöbeln wollte. Daß man ihn jetzt sogar schon braucht, um sich zu freuen – das ist eine niederschmetternde Erkenntnis.
Immerhin 35.000 Mark läßt sich Moät & Chandon den Spaß kosten, und bezahlt werden muß zudem eine hochkarätige Jury. Für die Text-Exegese hat man sieben berühmte Preisrichter engagiert, die ihren Schweiß kaum für eine Kiste Champagner vergießen werden – unter ihnen Dr. h.c. Johannes Gross, der trotz seines Allzweckwaffenstatus nimmermüde Dr. Hellmuth Karasek und der Edelfederkenner Günter Strack. Schön ist auch, daß für den „Preis für Lebensfreude“ nicht nur wir Tintenpisser die Beiträge unserer Freunde einreichen dürfen („wenn du meinen vorschlägst, schlag ich deinen vor, und im Erfolgsfall teilen wir uns die Beute“). Auch das einfache Volk darf seine Kompetenz in Sachen Lebensfreudeförderung unter Beweis stellen. Wer in diesem Jahr etwas gelesen hat, was das Selbstbewußtsein der Nation fördert, schicke es an: Moät & Hennessy Deutschland, Direktion Kommunikation, Postfach 81 02 52, 81902 München. Einsendeschluß ist der 31.8. René Martens
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