■ Querspalte: Verschwörungen überall
Fußball-WM – schöne Zeit, tolle Spiele, interessant aussehende Trainer (am besten: Anghel Irordanescu, der rumänische „Coach“), irgendwie sozialistisch-internationalistische Fan-Reporter, ein wenig Melancholie auch, weil man beim Gucken der Spiele immer wieder an frühere WMs erinnert wird. Schwubs, taucht aus dem Nebelwald der vergangenen Zeit ein australischer Einwurf auf oder Rüdiger Abramczik, wie er 78 im Fiasko gegen Österreich kurz davor ist, durchzudrehen. Oder die Regenschlacht 74 zwischen Polen und noch jemandem. Ja, damals war man auch schon da, damals hätte man noch Matthäus werden können. Traurig.
Andererseits sorgt der Fußball für geordnete Tage, was gerade für Freiberufler hilfreich sein kann. So geordnet zwischen den Anstoßzeiten, schwankt man trotzdem, ob es in Ordnung ist, daß offensichtlich Verschwörungen im Gange sind. Den unglücklichen Löwen aus Kamerun wurden beispielsweise – trotz des Einsatzes diverser Marabouts – ein Tor und zwei Spieler aberkannt. Vielleicht trifft es auch die Iraner. Verschwörungsverdächtig war in jedem Fall das Spiel der norwegischen Holzhacker gegen die gelangweilten Brasilianer, die deshalb nicht Weltmeister werden sollen. (Darauf besteh ich!!) Schande, Schande, Schande und ein geschenkter Elfmeter. Wie immer. Marroko draußen. Verschwörungen. Überall. Möglicherweise hat es auch eine geheime Bedeutung, daß vor allem Ergänzungsspieler bislang vom Platz gestellt wurden. Außerdem richten sich die Verschwörungen gegen mein Wettverhalten. Wettkollegen stecken dahinter oder Blatter, wie Maradona vermutet, der die WM für ein abgekartetes Spiel hält. „Ich bin sicher, daß alles im voraus abgesprochen wurde.“
Brasilien–Norwegen schaute ich in einem Imbiß im Osten. Eine Frau um die 60 redete ständig auf mich ein. Es ging um ihren Sohn, der ein gelähmtes Bein hat, weil er das Fußballspielen nicht lassen konnte. „Ich sage immer: Sport ist Mord“, sagte sie. Detlef Kuhlbrodt
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