■ Querspalte: Copyright by Heiliger Vater
„Am Anfang“, sagt die Bibel, „war das Wort“, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Hier stock' ich schon, brummte Goethes Faust und wußte nicht so recht, ob er „logos“ als „Wort“, „Sinn“, als „Kraft“ oder „Tat“ übersetzen sollte. Das Amtsgericht Mailand hat dieser quälenden Frage nun noch eine weitere Nuance hinzugefügt, und keine unwichtige. Das Problem ist: War dieses erste Wort eben mal so hingesprochen – oder war es intoniert, also im weitesten Sinne gesungen? Ließe sich nämliches beweisen, dann, ja dann wäre dem Vatikan eine geradezu unermeßliche neue Einkommensquelle erschlossen. Dann läge das Copyright für alles, was ist, nämlich bei Radio Vatikan.
Es ging, wie könnte es im Medienzeitalter anders sein, um Verwertungsrechte – und zwar jene des Papstes. Johannes Paul II. nämlich ist nicht nur ein wortmächtiger, sondern auch ein sangesfreudiger Mann, und so preßte eine CD- Firma seine bei diversen Anlässen intonierten Gesänge auf eine CD. Speziell die vom Papst mit Vorliebe gesungenen gregorianischen Choräle hatten es den Produzenten angetan.
Nix da, entschied das Mailänder Gericht. Der Papst ist – Oberhirte hin, Stellvertreter her – vor allen Dingen eine sogenannte „natürliche Person“ und daher mit allen bürgerlichen Rechten ausgestattet. Einschließlich jenes der Urheberschaft. Zwar: Wenn er nur Texte aus dem Meßbuch vorliest, vollziehe er nur einen Ritus ohne eigenen künstlerischen Beitrag, ähnlich einem TV-Nachrichtensprecher. Anders jedoch, wenn er das Sendungs-Wort singt. Und trau, schau, wem – da zog Radio Vatikan eine vom Papst unterschriebene „Rechteübertragung“ hervor, wonach der Sender „weltweit alle Rechte an der Stimme des Heiligen Vaters“ wahrnehme.
Für die Gläubigen in aller Welt ergeben sich nun eine Reihe brenzliger Fragen. Als wer hat der Papst denn die Übertragungsurkunde unterschrieben? Als Karol Wojtyla oder als pp. Iohannes Paolus Sedundus, wie er seit seiner Wahl offiziell heißt? Oder steht etwa „Karol Wojtyla alias Johannes Paul II.“ drunter? Schlüpft er beim Singen mitten während der Messe in seine Zivilperson, während er beim Sprechen der echte Stellvertreter ist, ausgestattet mit der Sendungs- und Segensmacht Gottes – für die ja bekanntlich kein Geld erhoben werden darf? Muß der Meßdiener vielleicht künftig vor jedem Wojtylaschen Gesang ansagen: „Der folgende Choral erfolgt mit Zustimmung des Rechteinhabers Radio Vatikan?“ Und am Ende die allerbrennendste Frage: Wie steht es mit dem Segen am Ende des Hochamtes, wo bekanntlich das „Ite. missa est“ Teil des liturgischen Singsangs ist? Trällert da nur der Wojtyla und die Gläubigen gehen ungesegnet nach Hause, oder ist für diesen Fall das Urheberrecht vorübergehend ausgesetzt?
So oder so – hier muß baldigst eine neue Enzyklika her. Etwa mit dem Titel „Copyrightus noster in coelis“... Werner Raith
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