piwik no script img

■ QuerspalteEndlich mal was Positives

Wer in den USA nicht ans Internet angeschlossen ist oder, schlimmer noch, irgendwo haust, wo es keine Bild-Zeitung gibt, lebt derzeit so gut wie hinterm Mond. Denn „Amerika wagt sie nicht zu drucken“, die neuen, „schockierenden“ Details über die Affäre aller Affären, die der Klatschreporter Matt Drudge im World Wide Web verbreitet.

Amerika wagt nicht, Bild wagt und referiert: „In einer bizarren Sex-Begegnung, die sich am hellichten Tag im Weißen Haus abspielte, hat Präsident Clinton der Praktikantin Monica Lewinsky dabei zugesehen, wie sie mit einer seiner Zigarren masturbierte.“ Auch der Herr Landesvater soll nicht faul gewesen sein und selbst Hand an sich gelegt haben, während im Rosengarten Jassir Arafat, ohne Praktikantin und Zigarre, auf ihn gewartet habe. Schockierend? Die Szene wirkt eher, als stamme sie aus einem lahmen Softporno- Schinken, den nicht einmal Pro 7 wegsenden mag.

„Es sei unklar“, zitiert Bild weiter, „ob Clinton oder Lewinsky die Zigarre gehalten habe.“ Wenn der Präsident unter seiner Gürtellinie zugange war und außerdem das neueste CIA-Dossier über Arafat gelesen hat, dürfte er kaum eine Hand frei gehabt haben. „Unklar“ sind ganz andere Dinge: Was passierte mit der entweihten Zigarre? Hat Clinton sie noch geraucht? Oder Lewinsky? Oder Arafat?

Daß sich der US-Präsident einen von der Palme lockt, um einem Staatsbesucher relaxed gegenüberzutreten, spricht wirklich nicht gegen ihn. Und es ist doch erfreulich, daß man ausnahmsweise mal etwas Positives sagen kann über diesen ansonsten ziemlich blöden Bengel. Andere Politiker (Jelzin!) bevorzugen in solchen Situationen ein vergleichsweise freudloses Entspannungstraining.

Drudges „Enthüllungsstory“ erklärt immerhin, warum Clinton seine Cruise Missiles auf Herrn Bin Laden und ein paar Flaschen Hustensaft feuern ließ. Der Präsident war einfach nicht entspannt an diesem Tag. Und eine Praktikantin und eine Zigarre waren leider nicht zur Hand. René Martens

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen