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■ QuerspalteRauchmelder

Reden wir von hehren Dingen: von der Pressefreiheit, von den Medien als vierter Macht im Staat. Ihre Aufgabe ist es, Politikern auf die Finger zu schauen. Ob Gesetzesblätter oder Schmiergelder durch ihre Hände gehen. Ob sie eine Sache richtig anpacken oder der Allgemeinheit Schaden zufügen. Da erreicht uns soeben folgende Meldung der Nachrichtenagentur AP: Die Bundesgesundheitsministerin Andrea Fischer „wurde in der Hauptstadt beobachtet, wie sie sich in angenehmer Gesellschaft in einem Speiselokal eine Zigarette genehmigte“. Skandal! Skandal! Die Gesundheitsministerin hielt eine Zigarette in den Fingern!

Haben die Redakteure von Associated Press über die Festtage zuviel Punsch getrunken? Wollen sie uns diese aus dem Weihnachtsloch gekrochene Rauchmeldung als investigativen Journalismus verkaufen? Schicken sie neuerdings Reporter los, um einer Ministerin bei ihren privaten Verrichtungen zuzusehen? Und wie hat der AP-Aufseher Andrea Fischers Gesellschaft als „angenehm“ erkannt?

„Rauchen gefährdet die Gesundheit“ warnt die Ministerin auf jeder Zigarettenschachtel und zeigt als Privatperson, welche Wirkung der staubdumme Slogan hat: keine. Und das ist auch gut so. Denn wer will schon eine Gesundheitsministerin als Vorbild? Die in ihrer ersten Gesetzesnovelle keine grundlegende Änderung des verkorksten Gesundheitssystems in die Wege leitete? Die 1999 erst recht auffallen wird, wenn sie in der überflüssigsten Debatte des kommenden Jahres die gesetzliche Einschränkung der Pornographie unterstützt?

Vielleicht sollte in Zukunft eher die Pressefreiheit eingeschränkt werden. Jedenfalls bevor die Medien die Charakterfrage als Nachrichtenwert entdecken. Wozu gibt es eigentlich den Presserat? Kann der nicht mal etwas Sinnvolles tun und kistenweise kubanische Cohibas kaufen? Das leckere Rauchwerk wäre allerdings sofort an die Nachrichtenagenturen weiterzuleiten: Auf daß die vernebelten Hirnwindungen richtig durchgeblasen werden. Michael Ringel

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