■ Querspalte: Elementare Mechanik
Das Opfer war noch nicht kalt, da wollte Jörg Schönbohm schon beweisen, daß dieser Tod nicht umsonst war, propagandistisch gesehen. Der SPD komme, so Brandenburgs CDU-Chef, „ein Aufwind rechtsradikaler Parteien ganz gelegen, um auf diese Weise der Union einige Prozentpunkte abnehmen zu lassen“. Die Zweitverwertung übernahm Gregor Gysi: „Der Tote von Guben ist auch ein Toter der Unterschriftenkampagne.“ Und Jürgen Trittin sekundierte, die Union habe Vorurteile geschürt, die zu der Attacke rechtsradikaler Jugendlicher geführt hätten.
Lassen wir Schönbohm mal beiseite. Der läuft sowieso außer Konkurrenz. Aber was mag Gysi und Trittin getrieben haben? Die vage Vermutung, es könne in der Brandenburger Landjugend ein fremdenfeindliches Vorurteil geben, das durch die CDU noch heftiger zu schüren wäre? Der Glaube, das Jungvolk ließe vor Doppelstaatlern beeindruckt den Baseballschläger sinken? Das Bedürfnis, denen, die den Zwitterpaß fürs erste erledigt haben, eins reinzuwürgen? Routine? Elementare Mechanik? Enttäuscht hat in dieser Hinsicht Angela Merkel. Hätte sie nicht mit der gleichen Logik zurückkeilen können? – „Ihr, die ihr durchgeknallte Kurden zu durchgeknallten Deutschen ernennen wollt, seid schuld daran, daß drei von denen, die wir schon längst abgeschoben hätten, wenn wir nur so gekonnt hätten, wie wir wollten, jetzt in Berlin von ausgetickten Wachmännern exekutiert wurden, und nicht in Ostanatolien von regulären Soldaten, wie es sich gehört. Punkt. Und deshalb steht es jetzt 3:1 Tote gegen euch, ätsche, popätsche!“ Doch statt ihre Gegner derart fulminant auszupunkten, ist die CDU-Generalsekretärin nur eingeschnappt: „Ich fordere Jürgen Trittin und Gregor Gysi auf, ihre absurden Äußerungen zurückzunehmen.“ Frau Merkel, ich sage es ungern, aber ich sage es trotzdem: Erstens: Sie haben recht. Zweitens: Dafür liegen Sie jetzt mit 0:1 hinten. Drittens: Peter Hintze wär' das nicht passiert. André Mielke
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