■ Querspalte: Den Frieden herbeificken
Hat sie heute schon jemand glücklich gemacht? Nein? Dann lesen Sie die folgenden Zeilen: Wie die Nachrichtenagenturen melden, wurde neben dem Papst und der Heilsarmee die Nato für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen.
Halleluja – voller Glück bubbert unser Herz über diese freudige Nachricht. Der Nobelpreis für die Nato. Endlich ist es soweit. Der verdiente Lohn für gewaltige Taten. Für ein marienhaft sanftes Wesen, das momentan in der Kosovo- Krise die Möglichkeit hat, eine alte Weisheit wahr werden zu lassen: „Den Frieden herbeizubomben ist wie ficken, um Jungfrau zu werden.“ Wer könnte den Frieden besser herbeificken als die jungfräulich unschuldige Nato?
Als Deutscher kann man nur für diese Wahl sein. Hatte sich die Nato doch schon frühzeitig, ganz im Sinne Mahatma Ghandis und Helmut Schmidts, um den inneren Frieden in der Bundesrepublik verdient gemacht, als sie am 23. November 1983, einen Tag nach der Bundestagsabstimmung über den Nato-Doppelbeschluß, erste Pershing-II-Raketen ins Land bringen ließ. Noch heute zehren wir von dieser großmütigen Tat.
Die Nato – ein würdiger Preisträger in guter Tradition. Schon Winston Churchill bekam zwar nicht den Friedens-, aber den Literaturnobelpreis. Nicht etwa dafür, daß er Dresden einäschern ließ, sondern für seine Memoiren. Eine Ehre, die einem James Joyce zu Recht verwehrt blieb. Hätte er doch Dublin niedermachen sollen. Versucht haben soll er es ja. Mit dem Papst sollte das Nobelpreiskomitee gar nicht erst rechnen. Bis zum Herbst wird er nicht durchhalten. Und die Heilsarmee ist eine zu militaristische Organisation.
Schließlich wollen wir uns auf eine friedliche Preisverleihung freuen: Wenn Nato-Generalsekretär Solana die Auszeichnung, eingehüllt ins weiße Gandhi-Tuch, entgegennimmt. Nachdem er uns heute alle glücklich macht mit seinem Friedensfest im Kosovo – halleluja!
Michael Ringel
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