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■ QuerspalteÖcalan für Olympia

In 300 Jahren wird man über Öcalan womöglich einen Abenteuerfilm drehen. Der Held – ein Opfer dunkler Intrigen – schmachtet auf einem kargen Eiland. Er wird es mit ein bißchen Glück gar nicht mehr oder, wenn das Gericht schlechte Laune hat, in einer Zinkbüchse verlassen. Es sieht nicht so aus, als könne er wie der Graf von Monte Christo im Leichensack eines Mitgefangenen entweichen – Öcalan hat keine.

Doch der Mensch ist laut Friedrich Schlegel „vor allen anderen Geschöpfen ein auf Hoffnung gestelltes Wesen“ und darf also unerwarteten Beistand erwarten: Die griechische Stadt Olympia, wo erstmals Leibesübungen mit Schmiergeld verkocht wurden, hat Öcalan soeben die Ehrenbürgerwürde zugesprochen. Man wolle damit, so Bürgermeister Georges Aidonis, „das Kurden-Problem internationalisieren“. Wie so etwas funktioniert, haben auf problematische Internationalisierungen spezialisierte Kurden unter anderem bereits anhand des griechischen Konsulats in Berlin recht eindrucksvoll demonstriert. Aber Olympia will mitnichten SPD-Kreisgeschäftsführer aus dem Fenster halten. Olympia will die Türken ärgern. Wenn etwas national gesinnte Griechen ärgert, dann ist es die anhaltende Ekstase am Bosporus.

Und was hat Öcalan davon? Nun, Berliner Ehrenbürger beispielsweise werden zu allen Empfängen des Landes eingeladen, dürfen umsonst Straßenbahn fahren und ruhen im Ehrengrab. Bürgermeister Aidonis will dem Kurdenführer die Ehrenbürgerwürde offiziell während eines Festakts im Rathaus von Olympia verleihen (das Äquivalent zum „Empfang des Landes“), und zwar „in Anwesenheit eines UN-Menschenrechtsbeauftragten“. Die türkische Regierung wird nicht zögern, Öcalan für so einen wichtigen Termin Hafturlaub zu gewähren. Anschließend wird der Geehrte sich eine Freifahrt mit den olympischen Verkehrsbetrieben genehmigen, dann geht's zurück auf die Insel und ein paar Monate später ab ins Ehrengrab. Ist das nicht ein Happy-End?! André Mielke

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