■ Querspalte: Das Lachen und der Krieg
Eine Querspalte zu schreiben, bedeutet: Reinspringen ins Thema, Gas geben und sofort am Ziel sein. Das Ziel lautet: Eine aktuelle Ungereimtheit aufgreifen und mit komischen Mitteln bloßstellen, um die Wahrheit ans Licht zu befördern.
„Die Wahrheit ist das erste Opfer des Krieges“, schreiben sich die journalistischen Phrasenritter momentan gern auf ihre Fahnen. Oh ja, wie wahr. Alles ist zur Zeit gelogen. Die Wirklichkeit wird im Krieg neu erfunden. Wie schön ist es dagegen im Frieden. Wenn Politik und Medien allein der Wahrheit verpflichtet sind. Die Realität stets eins zu eins abbilden. Den Menschen nicht die Hirne mit Lügen vernebeln.
Seit Beginn des Kosovo-Kriegs gibt es Kritik an der Querspalte, ob man angesichts von Bomben, Toten und Vertreibungen noch komische Glossen zum Krieg schreiben könne. Man muß sogar. Denn Lachen schafft Distanz, Distanz Erkenntnis, Erkenntnis Vernunft.
Wenn eigentlich nur noch Militärs sprechen und Medien deren Vorstellungen als Realität verkaufen, muß das uneigentliche Sprechen die Dummheit der Lüge enthüllen. Und dazu bedarf es zum Beispiel der Ironie. Denn selbst im Krieg gibt es immer nur eine Wahrheit: Jene Hirnhälfte des Menschen, die für das Erkennen der Humanität zuständig ist, darf nicht ausgeschaltet werden.
Im Hirn nämlich sind Menschlichkeit und Humor an derselben Stellen angesiedelt. Und wie soeben Bild berichtet, haben – ich liebe diesen Satz – „amerikanische Wissenschaftler bewiesen“, wo im Gehirn der Humor stattfindet. Sie konfrontierten eine Testgruppe von Hirnverletzten mit Witzen und Karikaturen. Die Versuchspersonen, deren rechte Hirnhälfte geschädigt war, lachte über derbe Witze. Feinen Wortwitz oder Ironie fanden sie gar nicht komisch.
In diesem Sinne war die heutige Querspalte keine Glosse zu einem aktuellen Geschehen vom Tage, sondern eine therapeutische Maßnahme zur Wiederinbetriebnahme ausgeschalteter Hirnhälften. Michael Ringel
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