■ Querspalte: Minister des Herzens
Unter Ausschluß der Öffentlichkeit fand am Samstag „zwischen zwei mannshohen roten Azaleen“ (AFP) im Frankfurter Palmengarten das Ereignis des Jahres statt: Der graue Panther der Grünen fuhr in den Tunnel der Liebe. „Auf einem Blütenteppich“ (dpa) heiratete Joschka Fischer die „brünette“ (AP) Journalistenschülerin Nicola Leske. „Älteste Zeugin sei eine versteinerte Palme an der Wand gewesen“, meldete die Nachrichtenagentur AP im Konjunktiv, denn dabeisein durfte außer „etwa zehn Hochzeitsgästen“ (dpa) niemand. „Sichtlich verärgert“ (dpa) über das Medieninteresse lieferte sich Fischer nach der Hochzeit beim „Müllwegbringen“ (dpa) vor seinem Wohnhaus ein „Wortgefecht“ (dpa) mit Fotografen und verwies auf das „tragische Schicksal von Lady Di“ (dpa). Nicht eine dieser Meldungen ist wahr. Was in Frankfurt wirklich geschah:
„Wollen Sie, Joseph Fischer?“ „Hören Sie“, mit einem Handkantenschlag auf den Tisch, daß das Tulpengedeck schepperte, unterbrach Lady Joschka die Standesbeamtin. Verängstigt zogen die beiden mannshohen roten Azaleen die Blütenköpfe ein. Mit versteinertem Blick folgte eine Palme der Trauung. „Hören Sie, ich bin der festen Überzeugung: Ja!“, kürzte Fischer mit knarzender Stimme die Zeremonie ab, griff sich seine Braut und zog sie über den Blütenteppich hinaus in den schwarzen Mercedes. Der sichtlich angetrunkene Chauffeur startete die Limousine und raste die Champs-Élysées hinab Richtung Seine. Lady Jay saß auf dem Rücksitz und starrte die Paparazzi an, die ihnen mit hohem Tempo auf Motorrädern folgten und während der wilden Fahrt Blitzlichtgewitter abschossen. Kurz vor dem Tunnel kreuzte plötzlich ein weißer Fiat die Spur, und Henri, der Fahrer des Palmengartens, verlor die Kontrolle über den schweren Wagen, der auf eine Tunnel-Strebe krachte. „Ihr habt Joschka getötet“, beschimpften wütende Passanten die Fotografen. Ein Fanal für die Presse. Der Minister des Herzens ist tot. Goodbye, Rose of Frankfurt. Michael Ringel
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