piwik no script img

Quadriga-Preis für PutinEin unwürdiger Preisträger

Wladimir Putin bekommt den Quadriga-Preis verliehen, denn er hat alles, was ein "Leader" braucht. Handelt es sich um einen Scherz? Nein, leider nicht.

"Lupenreine Demokraten" und "Vorbilder der Aufklärung" beim Fototermin. Bild: reuters

Über einen Mangel an Ehrungen und Auszeichnungen kann sich Russlands Regierungschef Wladimir Putin, der sich anschickt, im kommenden März als Staatspräsident erneut in den Kreml einzuziehen, wahrlich nicht beklagen. 2006 erhielt er das Großkreuz der Ehrenlegion Frankreichs, zwei Jahre später heimste er den Sächsischen Dankesorden ein - für besondere Verdienste um Deutschland, die neuen Bundesländer und Sachsen.

Am 3. Oktober 2011 steht die nächste Dekoration an: Dann bekommt Putin den Quadriga-Preis, mit dem der Verein Werkstatt Deutschland e. V. alljährlich "Vorbilder, die Aufklärung, Engagement und Gemeinwohl verpflichtet sind", würdigt. In der Vergangenheit durften schon so namhafte Persönlichkeiten wie Vaclav Havel, Michail Gorbatschow und der des Plagiats überführte Exverteidigungsminister Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg die - leider undotierte - Auszeichnung entgegennehmen. Jetzt also zeichnet die Jury, in der auch Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) sitzt, den Ex-KGB-Mann Putin aus.

"Leadership" lautet das diesjährige Motto, wie der Website des Vereins zu entnehmen ist und: "Leadership braucht die Entschlossenheit für das Notwendige."

Herzlichen Glückwunsch! Zu allem entschlossen ist Putin, der "Leader" - ein Wort, das mittlerweile auch im russischen Sprachgebrauch gängig ist - allemal. Besonders dann, wenn es darum geht, Kritiker der Regierung im wahrsten Sinne des Wortes zum Schweigen zu bringen oder eigene wirtschaftliche und politische Interessen um jeden Preis zu verteidigen.

Zu Beginn des zweiten Tschetschenienkrieges 1999, der tausende unschuldige Menschen das Leben kostete und zehn Jahre dauerte, kündigte Putin an, die "Terroristen auf dem Abort kaltmachen" zu lassen. Im August 2008 rückten russische Truppen im Krieg gegen Georgien fast bis zur Hauptstadt Tiflis vor, um ihrem Anspruch auf die abtrünnige Republik Südossetien Nachdruck zu verleihen. Weißrussland und der Ukraine wird immer mal wieder der Gashahn abgedreht, um klarzustellen, wer wem die Preise diktiert.

Kampf gegen den Rechtsnihilismus? Fehlanzeige!

Und wie steht es in Russland selbst um den von Präsident Dmitri Medwedjew so oft und gern beschworenen Kampf gegen den Rechtsnihilismus? Fehlanzeige! Nach wie vor ist das Land Lichtjahre von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit entfernt. Menschenrechtsverletzungen sind an der Tagesordnung, die politische Opposition wird systematisch unterdrückt und wandert - zumindest kurzzeitig - in den Knast. Journalisten der wenigen unabhängigen Medien können froh sein, wenn sie bei der Ausübung ihres Jobs mit dem Leben davonkommen.

Gerichtsverfahren sind in der Regel eine Farce, da die Richter nicht Recht sprechen, sondern politischen Vorgaben folgen (müssen). Jetzt will sich Moskau mittels Verabschiedung eines Gesetzes auch noch der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte entziehen. Kurzum: Es herrscht Friedhofsruhe. Und die soll preiswürdig sein? Offensichtlich! Denn in Wahrheit geht es den westlichen Staaten um Stabilität, und das heißt eben Ruhe an der östlichen Flanke.

Der Lächerlichkeit preisgegeben

Das war schon unter Gerhard Schröder so, als der damalige Kanzler, in freudiger Erwartung eines lukrativen Gazprom-Pöstchens, Putin zu einem "lupenreinen Demokraten" adelte. Und das ist auch heute so, wenn zu autoritären Entwicklungen verschämt geschwiegen wird, um die guten Wirtschaftskontakte zu Russland nicht zu gefährden.

Mit seiner Entscheidung pro Putin hat sich der Verein ein Armutszeugnis ausgestellt und der Lächerlichkeit preisgegeben. Vielleicht sollten sich die Verantwortlichen jetzt noch überlegen, den Preis im kommenden Jahr Weißrusslands Präsidenten Alexander Lukaschenko zu überreichen. Denn der Diktator, der seit Protesten gegen seine gefälschte Wiederwahl am 19. Dezember 2010 Amok läuft, war und ist hin und wieder ein Vorbild für Putin in Sachen effizienter Unterdrückung der Opposition. So wurde das repressive Vorgehen gegen weißrussische Oppositionelle in Russland kopiert. Leider ist es mit der Stabilität in Lukaschenkos Reich angesichts der desolaten Wirtschaftslage und zunehmender Proteste nicht mehr weit her. So müsste sich der Verein dann wohl doch einen anderen Preisträger suchen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

22 Kommentare

 / 
  • S
    sme

    Werkstatt Deutschland, der Verein, der jährlich den Quadriga-Preis auslobt, hat sich nicht erst dieses Jahr lächerlich gemacht. Letztes Jahr ist es nur nicht aufgefallen. Denn 2010 war einer der Quadriga-Preisträger Lothar de Maiziere. An sich nichts Ungewöhnliches, wenn nicht der 2. Vorsitzende des Vereins - Lothar de Maiziere hiesse. Respekt also - das ist in etwa so, als ob sich der Bundespräsident selbst das Bundesverdienstkreuz verleiht. Dies nur ein Detail am Rande.

    Ansonsten ist Werkstatt Deutschland ein Verein, der zwar in der Satzung Überparteilichkeit und das "Aufeinandertreffen von verschiedenen Lebenswelten" zum Ziel hat, ansonsten aber im Kuratorium und im Freundeskreis fast durchweg (und nach dem Ausscheiden Özdemirs und eines parteilosen Historikers geradezu ausschliesslich) Arbeitgeber-FDP-CDU-nah besetzt ist.

  • T
    tatka20101

    Putun, vorwärts! Der Neid ist die höchste Form der Anerkennung:))

  • H
    Helena

    Erdogan und Karzai sowie diverse andere fragwürdige Gestalten haben ebenfalls diesen Preis erhalten. Von daher spricht nichts dagegen ihn auch Putin zu verleihen, zumal Russland für Deutschland wichtiger ist als die Türkei.

  • S
    sme

    Werkstatt Deutschland, der Verein, der jährlich den Quadriga-Preis auslobt, hat sich nicht erst dieses Jahr lächerlich gemacht. Letztes Jahr ist es nur nicht aufgefallen. Denn 2010 war einer der Quadriga-Preisträger Lothar de Maiziere. An sich nichts Ungewöhnliches, wenn nicht der 2. Vorsitzende des Vereins - Lothar de Maiziere hiesse. Respekt also - das ist in etwa so, als ob sich der Bundespräsident selbst das Bundesverdienstkreuz verleiht. Dies nur ein Detail am Rande.

    Ansonsten ist Werkstatt Deutschland ein Verein, der zwar in der Satzung Überparteilichkeit und das "Aufeinandertreffen von verschiedenen Lebenswelten" zum Ziel hat, ansonsten aber im Kuratorium und im Freundeskreis fast durchweg (und nach dem Ausscheiden Özdemirs und eines parteilosen Historikers geradezu ausschliesslich) Arbeitgeber-FDP-CDU-nah besetzt ist.

  • D
    derrusse

    Ich empfehle diese Juroren der nächsten Quadriga -Preis dem Duisburger Oberbürgermeister Sauerland zu verliehen. Wenn putin das verdient, dann er wohl auch!

  • K
    Konyan

    Die Angehörige des Volkes, die ihre "Freiheit" am Hindukusch verteidigen, haben eigentlich kein Recht Putin zu beschuldigen. Deutschland und Russland toten im Afghanistan und Tschetschenien gleiche Menschen, nur Russland hat dabei wirklich die anderen 140000000 eigenen Bürger zu verteidigen (die anderen über 100 verschiedenen Völker). Und was verteidigt Bundeswehr?

  • X
    xoakh

    @Siegfried: Cem Özdemir hat das Kuratorium aus Protest verlassen:

     

    http://www.tagesschau.de/inland/quadriga104.html

  • G
    garleez

    Nobelfriedenspreis für Obama?.. Warum habt Ihr davon nichts zu bemeckern? Oder ist es hochverdient?

  • M
    Melanie

    Wenn der Verein auch nur einen Funken Gespür für demokratische Werte hätte, würde er sich für 2011 doch noch einen anderen Preisträger suchen. Bis auf die Knochen blamiert hat sich die Versammlung von PR-Strategen und Politiker jedoch bereits. Wenn in Zukunft der "Quadriga-Preis" vergeben wird, hat die Verleihung einen bitteren Nachgeschmack....

  • D
    Duncan

    Es ist unglaublich. Ich würde gerne mal wissen, was die Tschetschenen davon halten. Putin ist ein Massenmörder, das waren ethnische Säuberungen damals. Ich bin gespannt, wer als nächstes den Friedensnobelpreis einsackt, Henry Kissinger hat seinen schon.

  • A
    Andrea

    Frau Oertel bringt hier durchaus Klarheit in die Sache. Ein Preis der von "Leader" spricht und "Führer" auszuzeichnen, ein Preis den der ehrwürdige Baron zu Guttenberg auch schon bekommen hat. Nein, nein! So eines Preises ist Herr Putin allemal würdig.

     

    поздравление "FjüRReR Putin"!

  • M
    max

    guter kommentar, passende vergleiche.

  • AJ
    Angela Jahust

    Wenn ich den Artikel lesen, verstehe ich, warum Putin den Preis verdient. Man kann nicht von Russland erwarten, dass die selben Menchanismen zur Spitze führen wie in Deutschland und wer den Krieg in Georgien eigentlich angefangen hat, ist sich die TAZ anscheinend auch sehr schnell sicher. Der Artikel, der es de facto nicht in einem einzigen Punkt schafft die Vergabe nachzuvollziehen, riecht nach starker Meinungsmache und Trittbrettfahrerei. Das ist Teil des Journalismuses meinetwegen, aber fair und "wahrer" sicherlich wäre eine differenziertere Betrachtung.

  • S
    Siegfried

    Bei den "Christlichen" ist man ja Kummer gewöhnt. Aber auch der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir gehört diesem "erlauchten" Kremium an. Ich frage mich, welchen Beitrag er zur Wahl des russischen Mörders geleistet hat? Das Motto der Preisvergabe "Leadership - Führungsqualiltät" scheint ihm zumindest nicht wirklich ein Begriff zu sein. Herr Özdemir, das lässt tief blicken!!

  • D
    David

    Wo liegt das Problem? Obama, Führer der Weltordnungsmacht USA, verantwortlich für Kriege, Besatzung, Ermordung von Zivilisten, Blockade Gazas und Siedlungsbau im Westjordanland, Embargo gegen Kuba , Millionen Hungertote und Flüchtlinge weltweit und und und... bekam ja auch den Friedensnobelpreis. Dagegen ist die Auszeichnung Putins doch harmlos.

  • A
    aurorua

    Ich hoffe allein die "Seelen" der insbesondere männlichen Kinder und Jugendlichen die man in Tchetschenien zumindest mit PUTINS Billigung systematisch ermordet hat, werden diesen skrupellosen KGB-SPION heimsuchen.

  • A
    Andrela

    Oh nein, ein würdiger Preisträger, wenn man sich die Liste der ehrenwerten bisherigen Preisträger anschaut:

    u.a. Herrn Erdoğan, der bekam 2010 auch noch den Internationalen Gaddafi-Preis für Menschenrechte vom libyschen Diktator Muammar al-Gaddafi verliehen, den er persönlich entgegennahm...

  • JA
    J. Amazonas

    Ich kannte den Verein bisher nicht. Auf seiner Website beschreibt er selbst seine Mitglieder: "Mitglieder des Vereins sind prominente Vertreter aus allen Parteien, Chefredakteure und Intendanten sowie namhafte Repräsentanten der Wirtschaft." - kurz: ein Verein von Politikern für Politiker zur Selbstbeweihräucherung und Beziehungspflege zur Wirtschaft; mit gesellschaftlichen Anliegen scheint das gar nichts zu tun zu haben.

    Warum wird über solche "Preise" überhaupt berichtet? Versteht es sich nicht ganz von selbst, dass solche Leute sowas machen? Nachrichtenwert hat doch nach klassischer Lehre das Außergewöhnliche, Nicht-Alltägliche, oder? Das liegt hier nicht vor.

  • OS
    Otto Suhr

    Spätestens seit der Verein Helmut Kohl, unserem Schmier... äh ich meine Spendenkanzler, den Preis verliehen hat musste jedem klar sein, dass das kein seriöser Preis ist. Dazu noch die fehlende Dotierung, ich glaube dass es unnötig ist, über diese Farce einen Artikel zu veröffentlichen.

  • E
    Ebola

    Pablo Escobar, Lucky Luciano, Francesco Castiglia, Carlo Gambino, Bernardo Provenzano, Wladimir Putin ...

  • C
    cr41

    Der nächste Preisträger ist dann wohl Robert Mugabe:

     

    Absolute Führungsqualitäten über Jahrzehnte trotz opponierender Bevölkerung.

     

    That´s Leadership at its best!

  • U
    Unglaublich

    Super Preis für einen wie Putin. Diesen Verein kannste in die Tonne klopfen. Lächerlich? Ja und nie wieder ernst zu nehmen.