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QUERSPALTE„Blauhelme raus“

■ Nordirland im Jahre 1997, fünf Jahre nach dem Einmarsch der UNO-Friedenstruppen

Scheiß Halloween“, dachte sich Takushi Fumo, Kommandant der UNO-Friedenstruppen in Nordirland. Vor 18 Monaten, im April 1997, hatte die britische Regierung im Zuge ihrer „Normalisierungspolitik“ beschlossen, Feuerwerkskörper für das traditionelle Fest zur Vertreibung der bösen Geister am 31. Oktober zuzulassen. Bereits im vergangenen Jahr war es schiefgegangen. Eine Handvoll Terroristen hatte die Gunst der Stunde genutzt und einen Teil der Belfaster UNO- Kaserne, die genau auf der „Friedenslinie“ lag, mit Knallfröschen belagert, den Wachposten mit Luftschlangen gefesselt und in Sprechchören den sofortigen und bedingungslosen Abzug der Blauhelme gefordert.

Auch fünf Jahre nach ihrer Stationierung sind die Friedenstruppen in Irland keine gerngesehenen Gäste, sieht man einmal von einigen Bars in der näheren Umgebung der Stützpunkte und den wie Pilze aus dem Boden schießenden japanischen Restaurants ab. Darüber täuschen auch die bunten Fähnchen mit den niedlichen Friedenstäublein nicht hinweg, die inzwischen dort wehen, wo früher eine massive Mauer die protestantischen und katholischen Wohnviertel Belfasts hermetisch voneinander abschirmte. Nicht daß die Bevölkerung Sehnsucht nach einer Rückkehr der britischen Armee mit ihren Panzern, Folterzentren und gezielten Todesschüssen hätte. Aber von einer Normalisierung der Situation kann noch längst keine Rede sein. Die Iren mögen nicht einsehen und sind tief gekränkt, daß ausgerechnet 2.500 Japaner, tausend Australier und je fünfhundert Kuwaitis, Dänen und Argentinier in der Lage sein sollen, jene Probleme zu lösen, an denen sie selbst seit 800 Jahren vergebens herumdoktern. „Irland den Iren“ fordern nach wie vor kategorisch die katholischen Republikaner, „Nordirland der Queen“ kontern die protestantischen Loyalisten. Die Fronten sind verhärtet wie eh und je, die soziale Lage beider Bevölkerungsteile ist miserabel, und daß dem Aufruf, die Waffen abzugeben, beim Einmarsch der UNO- Armee im Jahre 1993 nicht alle der ehemaligen Paramilitärs gefolgt sind, zeigen die nächtlichen Schußwechsel, die immer wieder hinter dem Rücken der Blauhelme entbrennen.

Die Verhandlungen um eine Verlängerung des Stationierungsvertrages sind überschattet von wüstem Gezänk über die Finanzierung der immensen Kosten des Unternehmens, und es ist nicht unwahrscheinlich, daß viele der Beteiligten insgeheim den herzlichen Wunsch des General Fumo teilen: „Ich wünschte, es wäre Nacht oder die Engländer kämen.“ Ralf Sotscheck/Matti Lieske

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