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QUERSPALTEBleifüße aller Länder

■ Kurz nach dem Verkehrsinfarkt huldigt der ADAC unverdrossen dem Götzen Auto

Der Streik brachte es wieder einmal drastisch an den Tag: es gibt viel zu viele Autos. Endlose Blechlawinen wälzten sich durch autobusfreie Innenstädte, hüllten slalomfahrende Radlerrudel sowie ob der ungewohnten Beinarbeit schwitzende Fußgänger in Abgasschwaden ein und verbreiteten überall die gleiche stinkende und knatternde Botschaft: das Verkehrsmittel Auto ist obsolet, insbesondere in Großstädten. Der Pkw ist ein Relikt aus der Urzeit menschlicher Unvernunft, jener Epoche, in der die Leute anstelle des Hirns einen Auspuff im Kopf spazierentrugen; überholt wie der Faustkeil, zum Aussterben verurteilt wie der Tyrannosaurus Rex, der auch nicht gerade für seine Umweltverträglichkeit bekannt war.

Doch es soll Leute geben, die das nicht einsehen mögen. An primitiven Kultstätten kommen sie zusammen und huldigen weiter ihrem blechernen Götzen, opfern ihm Benzin, murmeln beschwörende Formeln vor sich hin und gießen Wasser auf die Mühlen ihrer als Verkehrspolitiker getarnten Hohepriester. Die Berliner Avus ist ein solcher Ort, Symbol des Kampfes der fleischgewordenen Schaltknüppel gegen den ökologischen Fortschritt.

Als der rot-grüne Senat 1989 eine Tempobegrenzung für die Avus verfügte, düsten die empörten Autofetischisten tagelang in stumpfsinnig hupenden Kolonnen die Avus entlang. Böse Zungen behaupten, Walter Momper habe die nächste Wahl bloß verloren, weil er die Schirmherrschaft für das Avus-Rennen des ADAC verweigert hatte.

Die vom grünen Umweltsenat angestrebte Abschaffung dieser Veranstaltung war mit der Machtübernahme Eberhard Diepgens vom Tisch, und so röhren auch an diesem Wochenende, unmittelbar nach dem Verkehrsinfarkt der vergangenen Tage, beim „ADAC-Avusrennen“ die Motoren und der Mythos Auto feiert fröhliche Urstände. Von wegen Tempolimit oder gar autofreie Innenstadt, drauf aufs Gaspedal und losgebrummt, daß den Menschen noch in Köpenick die Ohren dröhnen.

Minister Krause bekommt ebenso glänzende Augen wie Berlins Verkehrssenator Haase, für den die Inkarnation der modernen Innenstadt ein gigantischer Parkplatz ist und der auch sonst nur in Autobahnringen denkt. Höchste Zeit, daß diesem verderblichen Treiben ein Ende bereitet wird. Entschlossene Sofortmaßnahmen sind erforderlich: 3-Wege-Kat für sämtliche verbalen Emissionen des ADAC, Tempo 100 beim Avusrennen und Politikverbot für Krause und Haase an geraden und ungeraden Wochentagen. Matti Lieske

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