: Q U E R S P A L T E Mobile Endlagerung
■ Ein Zug mit radioaktiver Molke durchkreuzt die BRD
Wo mag sie jetzt sein, die Molke? In Hamburg? In Bremen? Gar in Bonn? Oder vielleicht auch wieder in Bayern? Unversehens offenbart sich ein hervorragendes Prinzip der Endlagerung radioaktiver Stoffe: die Schienenwege der Bundesbahn! Sollen sie doch das Zeug die nächsten 30 Jahre weiter durch die Republik karren! Bremen, Hannover, Dortmund, Kassel, Nürnberg, München, Stuttgart, Frankfurt, Köln, Bremen - immer im Kreis. Das Prinzip ist ja von der mobilen Lagerung der US–Minuteman–Atomraketen bekannt, die ständig auf Tiefladern durch die Gegend gefahren werden, um dem Feind kein Ziel zu bieten. Auch die Milchpulver–Mobilität hätte den Vorteil, daß sich weder örtliche Anti–Milchpulver–BIs formieren noch Vor–Ort–Demonstrationen zustande kommen könnten. Und noch was: Die Heisenbergsche Unschärfe–Relation, auf verseuchte Milch– und Molkerei–Produkte angewandt, lehrt uns, daß sich damit das Problem der radioaktiven Belastung von allein erledigt. Das Streckennetz der Bundesbahn umfaßt immer noch viele tausend Kilometer, die Wahrscheinlichkeit, daß sich der Giftzug an einem bestimmten Punkt der Strecke befindet, ist also äußerst gering. Radioaktivität, multipiziert mit der Wahrscheinlichkeit des Auftretens, ergibt einen verschwindend kleinen Wert. Der Milchpulver–Zug, in Zeit und Raum integriert, würde sich verflüchtigen. Die Bundesbahn könnte damit gleich mitsaniert werden. Eine Methode, die auch beim übrigen Atom–Müll Schule machen könnte! Einen Haken hat die Sache allerdings: die leidigen Anschläge auf die Bundesbahn–Strecken kämen zu einer völlig neuen moralischen Rechtfertigung. Lieschen Harms
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