: „Pussy Pop“ für alle
■ Heute im Tower: die All-Girlie-Band „Lemonbabies“
Du weißt, daß du etwas falsch gemacht hast, wenn du als Musiker wiedergeboren werden willst und dich statt dessen in einem Körper der Lemonbabies wiederfindest. Das klingst zwar gemein, entspricht aber dem, was Berlins charmantem All-Girl-Quartett an Respekt entgegengebracht wird. Es gibt einfach mehr Leute, die davon träumen, mit einem der vier Lemonbabies auszugehen, als solche, die eine ihrer Platten ganz durchhören.
Dabei würden die vier gerne auch bloß Musikerinnen sein, wenn man sie jetzt noch lassen würde. Doch noch immer ist nur wichtig, daß hier schicke Mädels musizieren und nicht vier stinkige, pickelige Bübchen. Das macht populär und vielleicht, daß sie als erste Band überhaupt im Bundestag spielten. Schließlich trällerten genug Leute mit glasklaren Stimmchen Drei-Minuten-Pop und schrummeln dazu simpel auf der Gitarre und keine interessiert es.
Das neue Album „Pussy Pop“ zu nennen ist mehr unbewußte Selbstkritik als beabsichtigt. Die Vier versuchen zwar offensiv, auf alle zu reagieren, die meinen, die Lemonbabies seien nur wegen Ihr-wißt-schon und nicht wegen der Musik populär.
Aber es ist egal, daß es selbst so tolle Limonenbabies wie Julia, Katja, Katy und Diane völlig ohne Musikalität nicht so weit gebracht hätten und sie richtig live ihre Instrumente spielen können. Denn bei allem Spaß, daran zu glauben, daß sie wirklich Finesse durch Enthusiasmus ersetzen - so überzeugend täuscht selten jemand den Hach-wie-geht-nochmal-E-Moll?-Charme vor.
Selbstredend können die Limonenkinder mittlerweile spielen und singen, und ihre Popsongs sind routinierte Arbeit, auch wenn gar, wie beim Album-Opener „Photo Love Story“ allzu unbescheiden gezockt wird - hier von Neil Youngs „Computer Age“. Aber diesen alten Herren, wenn auch unbewußt, zu beklauen oder live die Yardbirds zu covern, beweist, daß die Lemonbabies im Herzen gerne nicht mehr die Lemonbabies, sondern irgendeine stinknormale, gute Songwriterband wären.
L.R.
Die „Lemonbabies“ spielen heute um 21 Uhr im Tower
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