: PunkFunkRockPopSoul
■ Musik total aus dem Bauch und direkt rein in denselben beim Publikum: „Happy Mondays“, eine junge Band aus Manchester, die in Oldenburg Müslis und Gruftis hinriß
Der Sänger sieht aus wie Udo Jürgens vor 20 Jahren und singt wie einst Johnny Rotten selig. Vor dem sehr rauhen Hintergrund des exakt-treibenden Basses, des stets drängelnden Schlagzeugs, der immer wieder gequält -sirenenhaft aufheulenden Gitarre und des schrillen Keyboards windet sich und stöhnt der Sänger, schreit und trällert, beschwört sein Publikum (das freilich kein Wort versteht), hüpft wie ein angestochener Gnom auf der Bühne hin und her, wobei er kettenrauchend eine Flasche Bier nach der anderen leert.
Eine junge Band aus Manchester, die von dem Avantgarde -Genius und ex-„Velvet-Underground„-Mitstreiter John Cale
betreut und produziert wird, muß schon etwas Besonderes an sich haben. Was die „Happy Mondays“ am vergangenen Freitag im Oldenburger Kulturzentrum an der Kurlandallee boten, war auch etwas Besonderes. Natürlich basiert die Musik dieser Independant-Band auf Traditionen, orientiert sich an Vorbildern, greift bestehende musikalische Strukturen auf und spielt mit Klischees. Da sind Anklänge zu hören von Punk bis Funk, von Rock und Pop, von Underground und Soul. Aber trotzdem: die „Happy Mondays“ sind auch eigen-artig und vor allem und offensichlich sehr eigenwillig. Ihre Musik wirkt authentisch, ungekünstelt, wild und kraftvoll. Sie kommt total aus
dem Bauch und geht direkt in den Bauch. Da ist es ziemlich unerheblich, daß von den Texten so gut wie kein einziges Wort zu verstehen ist. Und welche Band leistet sich schon zwei männliche Go-Go-Boys? Herrlich!
Die 250 bis 300 ZuhörerInnen - witzigerweise im Gegensatz zu den Musikern größtenteils sorgfältig im Grufti-Look durchgestylt, nahmen die Musik bereits mit den ersten Takten begeistert auf; sogar die zwei verirrten Müslis gingen voll mit. Der Kontakt zwischen Band und Publikum war während des gesamten - leider nur sehr kurzen - Konzerts außergewöhnlich direkt: begeisterter Applaus nach jedem Song, gegenseitige Anfeuerungsrufe sowohl von der Bühne als auch aus dem Publikum.
Die anfangs stoisch-teilnahmslosen Gesichter offensichtlich fester Bestandteil des Grufti-Outfits strahlten und leuchteten wie beim Auspacken von Omas Geburtstagspaket. Möglicherweise standen die allenthalben glücklichen Gesichter auch in einem ursächlichen Zusammenhang mit jenen würzigen Gerüchen, die ansonsten vorwiegend auf Reggae-Konzerten zu schnuppern sind. Wie dem auch sei: die Musik dieser Band ist auf ihre erfrischend echte, glaubwürdige, kraftvolle Art eine sehr gegenwärtige, vielleicht sogar zukünftige Musik.
Kai Engelke
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