■ Pullach/Bonn: Der große Plutonium-Skandal: Was bisher geschah
Es war der weltweit größte Schmuggel von Plutonium, der jemals abgewickelt wurde. 363 Gramm des hochbrisanten Stoffes – eingeamtet, reicht ein Milliardstel Gramm aus, um einen Menschen zu töten – waren im Reisegepäck von drei Passagieren am 10. August 1994 in einer Lufthansa-Maschine von Moskau nach München geflogen worden.
Nach der Landung in München griffen die Fahnder sofort zu: Das Bombenmaterial wurde sichergestellt, die drei Schmuggler aus Kolumbien und Spanien wurden gefaßt, später zu drei bis viereinhalb Jahren Knast verurteilt. BND und Bayerisches Landeskriminalamt feierten endlich ihren ersten großen Fahndungserfolg.
Nach dem spektakulären Fund wehte – kurz vor der Bundestagswahl – der große Grusel-Sturm durch die Republik. Überall wurde spekuliert, ob „der Top-Terrorist Carlos, ein größenwahnsinniger Staat, ein verrückter Milliardär oder eine potente kriminelle Erpresserbande“ (Spiegel) mit vagabundierendem Plutonium aus der früheren Sowjetunion die Welt in „Tod und Verderben“ stürzen.
Die Russen als Lieferanten des Plutonium-Schwarzmarktes wurden scharf angegriffen, der BND warnte vor einer „wachsenden Gefährdung des Weltfriedens“.
Im April 1995 verdichteten sich dann die Hinweise, daß die Pullacher Agenten an dem Plutoniumdeal maßgeblich beteiligt waren. Genau dies hatten die Russen von Beginn an behauptet – wofür sie mehrfach scharf gerügt worden waren. Stückchen für Stückchen kam nun die bundesbehördliche Inszenierung des Schmuggels ans Licht.
Der spanische V-Mann „Rafa“ hatte die Anbieter im Auftrag des BND angelockt und zum Verkauf überredet. Zuvor, sagte Rafa, habe ihn der BND auf die Dringlichkeit von Fahndungserfolgen noch vor der Bundestagswahl und der Landtagswahl in Bayern eindrücklich hingewiesen. Rafas BND-Führungsoffizier „Adrian“ saß bei den entscheidenden Verhandlungen mit den Schmugglern als Dolmetscher am Katzentisch.
Gestern wurde die große BND-Inszenierung nun amtlich-ministeriell bestätigt. Eine von der Süddeutschen Zeitung veröffentlichte Aktennotiz aus dem Außenministerium vom 11. Oktober 1994 sagt klipp und klar, daß „unsere Dienste“ den Plutonium-Deal „nicht nur aufgedeckt, sondern weitgehend herbeigeführt“ haben.
Politisch verantwortlich dafür ist Geheimdienst-Aufseher Bernd Schmidbauer. Bis heute hat er hartnäckig das polit-kriminelle Vorgehen seines Amts abgeleugnet. Anders der bayerische Innenminister Günther Beckstein (CSU). Er hat längst eine „eindeutige und massive Mitwirkung des Bundesnachrichtendienstes“ eingestanden.
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