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Psychoterror bei Birkenstock

Sandalenhersteller will betriebsratstreue Beschäftige mit allen Mitteln loswerden. Dafür gründet er sogar neue Subunternehmen  ■ Aus Sankt Katharinen Sven Hansen

„Das geht einem hier langsam an die Nerven“, sagt Ingeborg Kasimir. Die 63jährige arbeitet seit über sieben Jahren beim Sandalenkönig Birkenstock. Statt wie früher Kleber aufzutragen oder Synthetik zu stanzen, muß Kasimir die Arbeitszeit jetzt ohne Beschäftigung in einer fast leeren Halle absitzen, von morgens um sieben bis nachmittags um vier. Arbeit bekommt sie und ihre KollegInnen schon seit dem 18. Dezember nicht mehr. Dabei gibt es genug zu tun, wie Stellenanzeigen des Konzerns dokumentieren.

Die 43 Frauen und 20 Männer der zu Birkenstock gehörenden Birko Schuhtechnik schlagen auf Anordnung ihrer Chefs nur noch die Zeit tot. Selbst das „Stricken, Häkeln, Kartenspielen oder ähnliches während der Arbeitszeit“ hat ihnen Juniorchef Christian Birkenstock mit einem Ukas verboten. „Es ist ja nicht so, daß wir nicht wollen, wir wollen doch arbeiten“, sagt Kasimir.

Birko in Sankt Katharinen bei Linz am Rhein war einst der größte Betrieb im 2.000 Beschäftigte zählenden Sandalenimperium. Dann wählten die tausend Birko-ArbeiterInnen vor drei Jahren erstmals in der Firmengeschichte einen Betriebsrat. Nachdem dieser auf einer Versammlung gleichen Lohn für gleiche Arbeit, ordnungsgemäß gefüllte Erste-Hilfe-Kästen und Pausenbänke vor der Kantine forderte, hat der 59jährige Firmenpatriarch Karl Birkenstock Betriebsrat und Bedschäftigten den Krieg erklärt.

Als der Betriebsrat, nach Drohungen die Firma zu schließen, nicht aufgeben wollte, baute Birkenstock die Belegschaft ab. Die mehrheitlich weiblichen Beschäftigten wurden zum Wechsel in betriebsratsfreie Neugründungen wie Happy Schuh oder Betula gedrängt. Der Betriebsrat wurde in Briefen beschimpft („Sie werden zu Recht wie Aussätzige behandelt“). Und die Neugründungen wurden zur „betriebsratsfreien Zone“ erklärt.

Im April letzten Jahres sollte Birko mit damals noch 65 MitarbeiterInnen und etwa ebensovielen Frauen im Erziehungsurlaub geschlossen werden. Die Beschäftigten gingen auf die Straße. Im letzten Moment überlegte es sich Birkenstock anders, offenbar auch, um die vom Betriebsrat geforderten 2,8 Millionen Mark für den Sozialplan zu sparen.

Seitdem versuchen Birkenstock und sein inzwischen zum Geschäftsführer ernannter 23jähriger Sohn Christian, die Birko-MitarbeiterInnen ohne Sozialplan loszuwerden. Diese mußten am 21. August aus dem Werk 1 in eine angemietete Lagerhalle umziehen und nach Betriebsratsangaben ihre Gerätschaften selbst dorthin tragen. In der nur provisorisch eingerichteten Halle ist das modernste Gerät eine weiße Stempeluhr.

Das Gewerbeaufsichtsamt erstellte eine mehrseitige Mängelliste. Moniert wurden vor allem die sanitären Anlagen und die defekte Heizung. An manchen Tagen kamen die Beschäftigten nur, um die Raumtemperatur zu messen. Dann konnten sie wieder nach Hause gehen. Zuvor mußten sie nach eigenen Angaben manchmal eine Stunde in der Kälte warten, da ihnen die Tür versperrt war.

Am 13. November wurden die Männer von den Frauen getrennt und mußten in die Ecke einer mit Kartons gefüllten Halle umziehen. Im gleichen Gebäude sitzt hinter Spiegelglas auch der GGV-Sicherheitsdienst. Ein Mitarbeiter dieser neueingerichteten Firma, die Christian Birkenstock gehören soll, ist zum Ansprechpartner der Birko- Belegschaft ernannt worden.

Wenn es in den letzten Monaten überhaupt Arbeit gab, bestand diese im Sortieren von Lederresten. Dafür wurden die Beschäftigten dann beschimpft: „Leider muß ich feststellen, daß Sie noch nicht einmal in der Lage sind, einfachste Arbeiten (Leder-Kork-Trennung) durchzuführen, Arbeiten, die bislang von geistig behinderten Menschen einwandfrei erledigt wurden“, schrieb Christian Birkenstock.

Wie sein Vater im letzten Jahr, ist Christian Birkenstock nicht bereit, sich auf Anfrage gegenüber den Medien zu äußern. Auch einige MitarbeiterInnen, die am Valentinstag den Birkenstocks in einer ganzseitigen Zeitungsanzeige ihr Vertrauen ausgesprochen haben, sind nicht zu einer Stellungnahme bereit. „Was muß da für ein Haß sein?“ fragt Uwe Menzel. Der Schwer-Behinderten-Vertreter beim Betriebsrat arbeitet seit fast acht Jahren bei Birkenstock. Früher habe er Doppelschichten und an Feiertagen gearbeitet, wenn die Firma viele Aufträge hatte. „Und das ist jetzt der Dank dafür, nur weil ich nicht meine Betriebszugehörigkeit wechseln wollte und in der Gewerkschaft bin.“

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