: Psycho ohne Drama
Im Krimidrama „Ein toter Bruder“ (20.40 Uhr, Arte) wird ein Ehemaligen-Treff zur Kulisse für ein Mordkomplott. Großes Kino ist das nicht, aber durchaus spannendes
VON HANNAH PILARCZYK
Was passiert, wenn sich ehemalige Kommilitonen zum zehnjährigen Jubiläum ihres Studienabschlusses treffen? Ein bisschen vergleichen, ein bisschen angeben, ein bisschen erniedrigen. Das ist jedenfalls das, worauf sich Jakob (Thomas Dannenmann) einstellt – und ein bisschen mehr. Denn Gastgeber Arved, ein erfolgreicher Politiker mit genauso viel Geld wie Einfluss, hat dem erfolglosen Journalisten einen attraktiven Job in seinem Ressort angeboten.
Zusammen mit seiner Freundin Annette (Marie Bäumer) macht sich Jakob auf zu Arveds herrschaftlichem Haus an der Ostsee. Doch schnell wird klar, dass an seiner Stelle Annette im Mittelpunkt des Geschehens steht. Sie und Arveds Frau Diana sind schicksalhaft miteinander verbunden, seitdem Diana als Kind bei einem Unfall ihre Beine verliert und Annettes kleiner Bruder stirbt. Seit dieser Zeit verfolgt Diana Annette mit Schuldzuweisungen, doch am Abend ihres Wiedersehens an der Ostsee macht Diana vor allem ihrem Ehemann Vorwürfe. Der ehrgeizige Politiker soll korrupt sein und sie betrügen, dafür habe sie Beweise gesammelt, wegen der er sie jetzt umbringen will. Der Clou seines Plans: Über Jakob hat er sich mit Annette eine potenzielle Hauptverdächtige ins Haus geholt. Doch bevor sich Jakob und Annette darüber einigen können, ob Diana nur unter Verfolgungswahn leidet, passiert etwas Furchtbares.
Gekonnt halten Regisseur Stefan Krohmer und Autor Daniel Nocke in ihrer sechsten Zusammenarbeit (bisher u. a. die mit dem Grimme-Preis ausgezeichneten Filme „Ende der Saison“ und „Familienkreise“) die Balance zwischen Krimi und Beziehungsdrama. Beide Erzählstränge nehmen sich nichts an Spannung und Entwicklung, dafür stehen leider eine holprige Sprache und zurückhaltende bis hölzerne Schauspieler ihrer Verbindung zu einem rundum gelungenen Film im Weg. Irritierend auch, dass viele Telenovela-Schauspieler mitwirken. Und nachgerade erschreckend, dass Michael Rotschopf als Ekel Arved eigentlich nur seine Rolle aus „Bianca – Wege zum Glück“ weiterspielt. Doch im Gegensatz zu den TV-Fortsetzungsromanen überstrapazieren Krohmer und Nocke den reichlich konstruierten Plott und das bedrohliche Setting nicht, sondern entwickeln einen leisen Psychofilm eben ohne Drama. Auch eine Kunst.