piwik no script img

Prêt-à-porterJugend kann so langweilig sein

■ Wenig fällt den Modemachern zum Start der Pariser Schauen ein: José Levy recycelt sein Männerprogramm im Frauengewand, David Purves versucht es mit barbusigem Lolita-Flair

Den ersten Tag der Pariser Prêt-à-porter-Schauen eröffnete offiziell José Levy. (Inoffiziell war es Massimo Mattetti, zu dessen Kollektion ich nichts sagen kann, weil sie im Dunkeln vorgeführt wurde.) Levys Kleider erinnern immer ein bißchen an die amerikanischen Armeeuniformen für Frauen aus den 30er Jahren – vernünftige Kleider aus steif gebügelter Baumwolle.

Levy zeigte knielange Trapezröcke mit Golffalte, in denen man bequem gehen kann. Selbst Hemden mit kurzen Ärmeln schließen am Oberarm mit Manschetten. Anzüge aus dunkelblauer Baumwolle sind an den Säumen hellblau abgepaspelt, sie haben so eine Adrettheit, wie sie sonst nur ein weißes frisch gebügeltes Hemd herstellt. Reißverschlüsse von Blousons sind immer bis oben hin zugezogen. Wenn bei den Hemden der alleroberste Knopf geöffnet ist, dann nur, damit man frei atmen kann. Kein Gedanke, daß hier etwas zufällig entblößt wird.

Selbst die Hotpants waren sachlich. Mit einem Regencape, unter dem knapp der Hosenrand hervorlugte, und einem Paar knöchelhoher Clarks getragen, sahen sie nicht sexy aus, sondern einfach sehr jung. Das war alles sehr schön. Weniger schön war, daß die Schau ein Recycling der Männermodenschau im Juli war, bei der Levy auch Frauenkleider gezeigt hatte. Selbst die Inszenierung mit einem Grammophon, das alte Schlager aus den 30ern spielt (weiß jemand noch, wer „Kuckuck“ gesungen hat?), war dieselbe.

Jugend hatte es auch David Purves angetan, der zum ersten Mal im offiziellen Programm zeigte. Bei Purves hieß das weiße Blusen, die mit weißen Slips getragen wurden und hochhackigen Schuhen. Ein Model hatte die Hände auf dem Rücken gefesselt und den Schlüssel im Mund. Eine andere Lolita trug nichts als besagten Slip und hochhackige Schuhe. An den nackten Busen hatte sie aufblasbares Kinderspielzeug gedrückt. Provokationen von vorgestern.

Das muß man leider auch von Jurgi Persoons sagen. Persoons hat im Oktober seine erste Kollektion in Paris vorgestellt, die gleich von Colette gekauft wurde, einem der schicksten Läden in Paris. Statt einer Kollektion zeigte er einen Film, verfremdet selbstverständlich, aber nicht verfremdet genug: Es war deutlich genug zu sehen, daß er höchstens fünf Kleidungsstücke gefertigt hatte. Die letzten Minuten sah man ein Model im Sand liegen, von etwas Spitze bedeckt, so daß sie wie ein verendeter Vogel wirkte. Minutenlang durften wir nachts um halb zwölf zusehen, wie das arme Ding langsam mit Sand zugeweht wurde. Dazu klagte live eine Oboe. Fehlte nur noch ein Gedicht von Rimbaud. Jugend! Sie kann so langweilig sein.

Fred Sathal ist Anfang 30 und zeigt schon seit einigen Jahren in Paris. Aber auch für sie war es das erste Mal, daß sie im Louvre vorführte. Sathal hat Ideen für vier Persoons. Den Anfang machte ein knielanger Mantel aus goldschimmernder Seide mit eleganten dreiviertellangen Ärmeln, einer kleinen Kellerfalte im Rücken und einem steifen hochgestellten Kragen, der an eine abgeschnittene Kapuze erinnerte – es war genau die perfekte Mischung aus Eleganz und Sportswear, an der Galliano im März bei seiner Dior-Kollektion spektakulär gescheitert ist. Weiter gab es durchbrochene, wie von Laufmaschen durchzogene Kettenkleider und knielange asymmetrische Trapezkleider, die wie ein Puzzle aus vierzehn verschiedenen Teilen zusammengesetzt waren. Die verwirrend kreuz und quer laufenden Nähte waren abgepaspelt oder mit Pailletten besetzt.

Das wichtigste modische Statement an diesem ersten Tag kam jedoch nicht von den Designern. Die Geschäfte hängen in diesen Tagen voll mit langen Röcken. Und was trug das weibliche Publikum? Hosen. Anja Seeliger

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen