Prozesseröffnung Landgericht Hanau: Drei Verfahren und ein Todesfall
Ein ehemaliger SS-Mann ist kurz vor Prozessbeginn gestorben. Ein weiterer Angeklagter erscheint nicht vor Gericht, zwei andere schweigen.
Es bleiben drei Verfahren, die derzeit gegen Beteiligte in Auschwitz ahängig sind. Vor dem Amtsgericht Detmold läuft seit Mitte Februar der Prozess wegen Beihilfe zum Mord im mindestens 170.000 Fällen gegen den 94-Jährigen ehemaligen Wachmann von Auschwitz Reinhold Hanning. Geäußert hat sich der Angeklagte in diesen zwei Monaten kein einziges Mal.
Dabei gilt seine zweieinhalb Jahre währende Anwesenheit in Auschwitz als gesichert. Ein als Zeuge geladener Beamter des Landeskriminalamts berichtete von einem handgeschtriebenen Lebenslauf Hannings, in dem dieser selbst schreibt, am 23. Januar 1942 als Angehöriger der SS-Totenkopfverbände nach Auschwitz versetzt worden zu sein. Weiter geht aus dem Papier hervor, dass der Angeklagte freiwillig der SS beitrat und sich für zunächst vier, später für 12 Jahre zum Dienst verpflichtete.
Geprägt war die Verhandlung bisher vor allem von den Aussagen Überlebender, die als Nebenkläger Zeugnis vom furchtbaren Alltag in dem Konzentrations- und Vernichtungslager ablegten. Das Gericht hat das Verfahren bis Ende Mai terminiert. Ein zweites Verfahren gegen einen früheren Auschwitz-Wachmann droht dagegen zu platzen, noch ehe es richtig begonnen hat.
Der Angeklagte Hubert Zafke (95) ist beiden bisher angesetzten Terminen vor dem Landgericht Neubrandenburg ferngeblieben und soll an verschiedenen Krankheiten leiden. Während Nebenkläger und Staatsanwalt vermuten, Zafke täusche eine Verhandlungsunfähigkeit vor, sieht die Verteidigung seinen Mandanten vom Tode bedroht, sollte das Verfahren fortgesetzt werden. Derzeit ist der Prozess bis zur Klärung des Gesundheitszustandes von Zafke ausgesetzt.
In einem dritten Verfahren in Kiel klärt das dortige Landgericht derzeit die Verhandlungsfähigkeit von Helma M. Eine Entscheidung über die Eröffung der Hauptverhandlung steht unmittelbar bevor. M., die 1944 als Funkerin bei der Kommandatur von Auschwitz eingesetzt worden war, ist der Beihilfe zum Mord in mindestens 260.000 Fällen angeklagt. Reportern gibt M. keinerlei Auskünfte. Weitere Anklagen gegen mutmaßliche NS-Verbrecher sind derzeit, 71 Jahre nach Kriegsende, nicht absehbar.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker