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Prozessauftakt in CambridgeSchuhwerfer will "nicht schuldig" sein

Der deutsche Student, der in Cambridge einen Schuh auf Chinas Regierungschef Wen Jiabao warf, plädiert auf "nicht schuldig". Wird er verurteilt, fliegt er aus der Uni.

Nach seinem fünf Minuten-Auftritt vor Gericht: der angeklagte Schuhwerfer. Bild: reuters

CAMBRIDGE dpa Der deutsche Student, der Chinas Regierungschef Wen Jiabao bei einer Rede in der Universität von Cambridge mit einem Schuh beworfen hatte, hält sich für unschuldig. Das sagte der 27-Jährige am Dienstag bei einer gerichtlichen Voranhörung in Cambridge. Dem Mann wird Störung der öffentlichen Ordnung, Beleidigung und Aufruf zur Gewalt vorgeworfen. Weil er auf "nicht schuldig" plädierte, muss sich der Pathologie-Student am 10. März bei einer Hauptverhandlung vor einem Gericht der Universitätsstadt verantworten. Bis dahin bleibt der Mann auf freiem Fuß.

Der Student hatte am 2. Februar eine Rede des Regierungschefs aus Protest gegen Chinas Menschenrechtspolitik lautstark unterbrochen und dann seinen linken Turnschuh Richtung Wen geworfen, ihn aber verfehlt. Wen hat mittlerweile um Gnade für den Studenten gebeten.

Die Staatsanwaltschaft kündigte an, bis zur Hauptverhandlung weitere Beweise wie Videoaufnahmen von dem Vorfall sammeln zu wollen. Der Student und seine Anwältin Catherine Bradd verweigerten jeglichen Kommentar. Auch seinen deutschen Geburtsort wollte der junge Mann nicht nennen. "Ich möchte mit der Presse nicht reden, solange der Fall nicht abgeschlossen ist", sagte der 27-Jährige am Rande des Prozesses.

In der Voranhörung, zu der der Student in einem schwarzen Anzug mit blauem T-Shirt erschienen war, nannte er lediglich seinen Namen, seine Adresse und bekannte sich "nicht schuldig". Nach fünf Minuten war der Auftritt vorbei.

"Wie kann sich die Universität für diesen Diktator prostituieren. Wie könnt Ihr den Lügen zuhören, die er erzählt. Steht auf und protestiert", hatte der Mann vor seinem Schuhwurf gerufen. Die Tat erinnerte an eine ähnliche Attacke auf den früheren US-Präsidenten George W. Bush in Bagdad. Nach Angaben des chinesischen Außenministeriums übermittelte die Traditionsuniversität einen Brief des Studenten mit einer Entschuldigung für die Störung.

Nach dem Zwischenfall hatte der Deutsche die Öffentlichkeit gemieden und war Fragen aus dem Weg gegangen. Der 27-Jährige studiert schon seit mehreren Jahren in Cambridge. Nach Medienberichten droht dem Mann neben einer Strafe auch der Ausschluss aus der Universität. Der Deutsche soll an der Universität zu Erkrankungen wie Diabetes und Arthritis forschen und jüngere Semester in Studienfragen betreuen. Er gilt als ruhiger fleißiger Student, der als Mitglied des Höhlenwander-Vereins seiner Hochschule regelmäßig an Ausflügen teilnehme.

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9 Kommentare

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  • R
    rikner

    Schöne Sache das mit dem Schuhwurf.

    Langsam scheint sich diese Form des Protestes richtig durchzusetzen. Welches Staatsoberhaupt wohl als nächstes beworfen wird? Oder wird es sogar der Papst sein ;-)

  • CD
    Carl der alte Brigadier

    Congratulations für den couragierten Schuhwurf des Medizinstudenten aus Cambridge aus Protest gegen die Menschenrechtsverletzungen in China!

     

    Ich werde mich bei nächster Gelegenheit mit einem Sack meiner alten, gesammelten Leder an ähnlichen Aktionen beteiligen.

    Zuallererst: Die Kultusminister sämtlicher Bundesländer bekommen alle einen Schuh für ihr völliges Versagen in der Schul- und Bildungspolitik, dafür, daß sie es mangels inhaltlicher Aufsicht und Unterrichtsstandards zugelassen haben, daß an deutschen Grundschulen immer öfter Neonazilehrerinnen mit Napola-Pädagogik und KZ-Aufseherinnen-Outfit die Kinder zur Schnecke machen und sowohl psychisch als auch physisch schwer traumatisieren, wie einer meiner jüngeren Freunde es während eines Praxistests an einer staatlichen Grundschule in Hessen kürzlich erlebte.

    Die Rektorin bekommt auch einen Schuh von mir, weil sie sich in Komplizenmanier vor die Neo-Napola-Lehrerin stellte, anstatt dienstrechtliche Konsequenzen zu ziehen. Eine Krähe hackt der anderen offenbar kein Auge aus, nicht wahr?

     

    Alle Parteien, ihre Repräsentanten und Funktionäre, die nicht für die generelle Abschaffung des Beamtenstatus bei Lehrerinnen und Lehrern plädieren, bekommen von mir zur nächsten Bundestagswahl meine dreckigsten und stinkensten Schuhe vor Schlips und Kragen, oder besser ins Gesicht geworfen!

     

    Die Bundesrepublik Deutschland ist nicht nur ökonomisch am Abgrund des Abbaus sozialer Gerechtigkeit angelangt, sondern auch ethisch-moralisch-humanistisch abgewirtschaftet.

     

    Die regressiven Bürokraten- und Technokratenkräfte posieren sich vor diesem Hintergrund trotzdem in Siegerlaune, und dafür haben sie meines Dafürhaltens nur eines verdient:

     

    Schuhe, Schuhe, Schuhe und nochmal Schuhe!!!

  • MM
    Müllers Meinung

    Der Schuhwurf ist, aus meiner Sicht, insbesondere bei einem Turnschuh, keinesfalls als Körperverletzung zu ahnden. Das Gericht wird natürlich so definieren, aber gemeint ist die Demütigung eines Lügners. Ich pflichte dem jungen Studenten bei und wünsche ihm weniger Demütigung, um seinen Studienplatz weiterhin in Anspruch nehmen zu dürfen.

     

    Insofern, liebeR tutnichtszursache, mag es Dir doof, wenig intelligent oder wie auch immer vorkommen. Aber da hat jemand seine "Existenz", zumindest in Cambridge, aufs Spiel gesetzt um lautstark seine Meinung zu äussern. Lautstark und vor der Öffentlichkeit. Sicherlich mit dem Wissen, dass man ihm an den Karren fahren wird. Traust Du Dich das? Vielleicht ... aber deshalb von mir:

     

    RESPEKT

  • AW
    Adam Wiessent

    Mein Respekt!

     

    Es ist für mich verwunderlich, dass er der einziger war, der den Schuh geworfen hat, obwohl für solche Diktatoren reicht ein Schuh nicht, einen Mülltonne wäre wohl angebrachter.

     

    PS

    Gibt es vielleicht ein Spendenkonto für den Studenten?

  • N
    nam

    von der Uni fliegen, weil man gegen Chinesischen- Regierungschef protestiert? Respekt! Demokratur in Reih und .....ähhh Reinform....

    Die anderen Studenten sollten sich was schämen, den Protest nicht unterstützt zu haben. Sollte der Student fliegen, müsste eigtl. jeder aufrechte Student an dieser Uni seien Exmatrikulation beantragen!

  • E
    Eiermann

    Haette er ihn getroffen, waere er ein Held.

  • M
    Martin

    Bedenklich finde ich, daß er offenbar der einzige dort war, der gegen den chinesischen Diktator protestierte. Was er sagte, war ja richtig. Einzig bei dem Schuhwurf wäre wichtig festzustellen, daß dieser nicht in der Absicht geschah, den Diktator zu treffen. Versuchte Körperverletztung ist natürlich nicht akzeptabel und wäre auch ein berechtigter Grund für einen Auschluß, alles andere aber nicht.

  • T
    tutnichtszursache

    Courage?

    Da hätt er sich auch etwas besseres einfallen lassen können.

  • AS
    auch student

    Das nenne ich mal Courage!

     

    Ich hoffe, dass es für ihn gut ausgeht und er weiter studieren darf...