Prozess: Ende einer Freundschaft
Zwei 23-Jährige müssen sich wegen schweren Raubes verantworten, weil sie in Geldnot und Feierlaune gleich zwei Mal kurzentschlossen andere überfielen.
Dennis L. und David B., das waren mal beste Freunde, "Kumpel", wie sie das nennen. Und sie haben gemacht, was viele machen, wenn sie 23 sind: Abends um die Häuser ziehen und über die Discomeile, dabei viel Alkohol trinken, ja, auch mal kiffen, ein wenig koksen, schwarzfahren. Und, B., nun gut, der hat auch schon mal geklaut. So weit, so unauffällig. Bis zu jenem Tag im Januar vergangenen Jahres.
Heute sitzen Dennis L. und David B. in Untersuchungshaft, müssen sich vor dem Landgericht wegen schweren Raubes verantworten, unter anderem. Voneinander sprechen sie nur noch in der dritten Person. Früher, da war B. "der Russe" und L. "der Portugiese".
Immer wieder schieben sie vor Gericht gegenseitig die Schuld hin und her, haben kaum Erinnerung, vor allem aber: keine Erklärung für das, was nur schwer zu erklären ist: Dass B. einem Herrn M. - er stand morgens um halb fünf zufällig am Geldautomaten - von hinten eine Flasche Becks über den Kopf gezogen hat. Um, bevor wenig später die Polizei kommt, seine EC-Karte nebst Geheimzahl zu erbeuten, zuzüglich den 70 Euro, die M. gerade abgehoben hatte. "Ich schlag dich tot", soll B. laut Anklage gedroht haben. Juristen nennen das einen schweren Raub. Darauf stehen fünf Jahre Knast, mindestens, auf jeden Fall ein Jahr, wenn es ein minder schwerer Fall ist.
"Lass uns den doch abziehen", so hatten sie vorher geredet, und, so sagen beide, noch darüber gelacht. Gerade eben hatten sie noch eine Nase Koks gezogen, vorher ein paar Wodka Red Bull getrunken, und Bier. Gut eineinhalb Promille Alkohol hatten sie beide im Blut. Nun war das Geld an jenem Abend fast alle. Und sie wollten doch weiter feiern gehen. Was sie in dem Moment gedacht haben, sagen sie übereinstimmend, das wissen sie heute nicht mehr.
Drei Monate später. Wie sich die Szenen gleichen. Wieder saßen Herr L. und Herr B. abends zusammen, diesmal an der Schlachte, wieder hatten sie einiges an Alkohol getrunken, dazu gekifft, wieder wollten sie noch weiterziehen, hatten aber kein Geld mehr. Irgendwie kamen sie dann mit drei anderen ins Gespräch, man teilte sich einen Joint. Dann kam das, was L. ganz leise "ganz unvermittelt" nennt und was für B. "eine Kurzschlussreaktion" war: Er ging einem der anderen an den Hals, forderte erst Geld, dann ein Handy, obwohl er sich, wie er vor Gericht sagt, "sicher" war, dass nichts zu holen war. Er sollte recht behalten. L. ließ ihn erst gewähren und wollte dann "irgendwie verhindern", das die anderen die Polizei holen. "Haut ab!", hat er ihnen dann gesagt. Und ist geflohen, erst an den Bahnhof, dann in die Discothek "Stubu", wo ihm zwei Freundinnen ein falsches Alibi verschafften, wo er schließlich festgenommen wurde.
Wer wen "angestiftet" hat, wie die Richterin das nennt? Darüber streiten sie. Was passiert wäre, wäre vielleicht doch was zu holen gewesen? "Ich weiß es nicht", sagt B., auch er kaum hörbar, auch er den Blick gesenkt. B. klingt dabei ein wenig wie Torsten Frings von Werder, nach einer deftigen Niederlage.
Früher, da arbeitete B. als Sicherheitsmann - im Weserstadion, in der Stadthalle, am Flughafen. "Der Job hat mir viel bedeutet", sagt er vor Gericht. Und dass er es besser hätte wissen müssen. Jetzt ist er den Job los. Er wird wohl auch so schnell keinen neuen suchen müssen. "Es macht mir richtig Sorgen, auf welchem Weg sie sind", sagt die Richterin. Und dass B. und L. sich "keinen Gefallen" täten, mit dem steten Verweis auf die Drogen.
Ob sie später, nach den beiden Taten, noch mal drüber geredet haben, wo sie doch - anfangs - noch beste Freunde waren? Ja, irgendwie schon, flüstern sie beide, aber nur beiläufig. Sie hatten es einfach "verdrängen" wollen.
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