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Prozess um BrandstiftungAuto kann sich selbst entzünden

Der Angeklagter im Fall Autobrandstiftung steht vor einem Freispruch - Gutachter von LKA und BKA interpretieren das Spurenbild nicht im Sinne der Staatsanwaltschaft.

Ein Fall von Autodestruktion?! Bild: ap

BERLIN taz | Bei der Aufklärung von Autobrandstiftungen haben die Ermittlungsbehörden keine Fortune. Nach dem Freispruch für die 21-jährige Alexandra R. im November droht nun im Fall von Christoph T. eine neuerliche Schlappe. Dabei hat die Staatsanwaltschaft diesmal drei Sachverständige aufgeboten, um den 23-jährigen Angeklagten zu überführen: einen Kriminaltechniker vom Landeskriminalamt (LKA), einen unabhängigen Brand- und Explosionsexperten und einen "Obergutachter" vom Bundeskriminalamt (BKA). Einmütig bekundeten die drei indes am Dienstag: Verschiedene "Modi Operandi" seien denkbar, wie es am 17. Juni 2009 in Friedrichhain dazu kam, dass ein VW Passat in Flammen stand. "Auch eine Selbstentzündung ist nicht auszuschließen", so Frank Schäfer vom BKA.

Nach dieser Einschätzung wird das Landgericht wohl nicht umhinkommen, den Angeklagten am Freitag freizusprechen. Genau das hatte die Staatsanwaltschaft verhindern wollen, als sie den ersten Prozess gegen Christoph T. im Oktober mit dem Antrag zum Platzen brachte, ein weiteres Brandgutachten müsse her. Das war, nachdem der Brandexperte des LKA, Joachim Geyer-Lippmann, vor Gericht ausgesagt hatte, er habe bei der Untersuchung des Brandschutts keine Hinweise auf einen Brandbeschleuniger finden können. Die Anklage geht davon aus, dass der Passat mit einem Brandbeschleuniger angezündet worden war, weil an Kleidungsstücken, die Christoph T. in einem Rucksack bei sich hatte, Anhaftungen von Lampenöl gefunden worden waren. Das Lampenöl könne sich durchaus schon länger an der Kleidung befunden haben, befand Geyer-Lippmann. Es könne auch von einem Grillabend stammen.

Der nachträglich hinzugezogene Gutachter des BKA, Frank Schäfer, bestätigte Geyer-Lippmann am Dienstag. "Ich beurteile das ganz genauso", sagte er. Ebenso wie die beiden befand auch der Explosionsexperte Peter Rabes, ein technischer Defekt als Brandursache sei nicht auszuschließen.

Christoph T. hat 96 Tage in U-Haft gesessen. Erst nach dem Gutachten von Geyer-Lippmann war er freigekommen. Bis dahin war der dringende Tatverdacht mit einem konspirativen Verhalten begründet worden. T. und ein weiterer Beschuldigter hätten sich in Tatortnähe "verhaltensauffällig" nach etwaigen Verfolgern umgedreht und sogar ihre Kleidung gewechselt, so das Kammergericht damals.

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7 Kommentare

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  • E
    Esther

    Wie schön schrecklich wäre diese Welt, wenn sie wirklich so schwarz/weiß funktionieren würde, wie es sich scheinbar viele Menschen wünschen? Bzw. wie viele Medien, Werbung, Propaganda, etc. sie zeichnen?

     

    Ich bin jedenfalls froh, dass es (noch? *schauder*) heißt: Im Zweifel für den Angeklagten. Auch die Urteile des Bundesverfassungsgerichts der letzten Wochen stimmen mich ein wenig vertrauensvoller.

  • D
    Deviant

    @Unauffälliger Bürger

    @P.Haller

     

    Bitte nicht aufregen... wir wissen doch, dass konservative... aber lest selbst: http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,680956,00.html

     

    SCNR :-)

  • P
    P.Haller

    Hallo Jochen, aufwachen !!

    Hast du den Artikel nicht gelesen ??

    Es ist eben gar nicht ausgemacht, dass das eine "linke Aktion war", es wurde auch gar nicht davon berichtet, dass der "Rückhalt der Bevökerung" gegen den "linken Terror" ausschlaggebend dafür war, dass Gutachter zu einem Schluss gelangen, der dir anscheinend so gar nicht in den Kram passt !

     

    Es gibt eben KEINEN Beweis, dass linke Terroristen da am Werk waren !!!!!!!!!!

     

    Aber welchen "Linkenhasser" interessiert das schon !

  • UB
    Unauffälliger Bürger

    @Jochen: Bitte vernachlässige nicht die Gutachten die das nicht eindeutig klären können bzw. eigentlich keinen Hinweis auf Brandbeschleuniger fanden. Das Problem ist hier nicht der (berechtigte) Unmut der Bevölkerung in den Stadteilen und deiner Unterstellung der Beihilfe/Verschleierung, sondern das den Angeklagten nichts nachgewiesen wurde. Verdächtiges Verhalten, was auch immer das sein mag, reicht zum Glück genauso wenig wie verdächtig auszusehen bzw. gekleidet zu sein. Solange man jemanden nichts nachweisen kann, ist er oder sie unschuldig. Sippenhaft mit den "Extremen" gibt es zum Glück noch nicht - evtl. aber eine gute Möglichkeit um mal einen Fall zu gewinnen? (Achtung, Ironie am Ende des Satzes)

  • B
    Ben

    @Jochen

    "(...) Linker Terror (...)": mal wieder schöne Polemik. Aber doch ein wenig repetitiv und etwas kalt.

    Vielleicht demnächst ein bisschen blumiger mit sowas wie: brandmördernde Vermummte, deren Opfer nur durch Zufall Glück haben nicht im vorsätzlich entzündeten Automobil ihr heißes Grab gefunden zu haben?

    Oder: gewaltbereite, unbarmherzige Linke, lauern unschuldigen und unbeteiligten Affektionssymbolen auf, um sie den Flammen undemokratischer Artikulation feil zu bieten?

  • AS
    autofreie Schnecke

    Wie lange hätte die U-Haft wohl gedauert wenn der Angeklagte einer schweren Körperverletzung verdächtigt worden wäre ?

     

    Auto Auto, immer nur Auto, ja DAS interessiert den Durchschnittsbürger.

     

    Als ob es keine anderen Probleme gibt.

  • J
    Jochen

    Ein weiterer Beweis dafür, dass sich die Problematik durch intensivierte Strafverfolgung nicht lösen lässt. Solange linke Aktionen in der unmittelbaren Nachbarschaft den Rückhalt genießen, wie das momentan der Fall ist (oder kennt jemand eine einzige Initiative, die sich gegen den "linken Terror" richtet?), wird es auch weiter derartige Aktionen geben. Der Grund für den Rückhalt in der Bevölkerung ist auch nicht schwer zu finden: Die Probleme der Stadt, die die Aktivisten mit ihren Aktionen ja thematisieren, sind nicht zu leugnen; das Thema Gentrifizierung ist in den Kiezen von Friedrichshain über Kreuzberg bis Nordneukölln immer noch omnipräsent; viele Bewohner teilen nunmal (leider?) ähnliche Sichtweisen wie die der Radikalen.