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Prozess in KeniaKein deutscher Anwalt für Piraten

Der Berufsverband der Kapitäne lehnt Schiffsbewaffnung ab. Ein somalischer Pirat bekommt kein Geld für einen deutschen Anwalt von der Bundesregierung.

Dürfen nicht auf Hilfe aus Deutschland hoffen: mutmaßliche somalische Piraten. Bild: dpa

HAMBURG dpa/ap | Trotz der erfolgreichen Abwehr eines Piratenangriffs auf ein Kreuzfahrtschiff im Indischen Ozean haben Kapitäne und Reeder eindringlich vor der Bewaffnung von Handelsschiffen gewarnt. "Das führt nur zu einer Eskalation", sagte der Geschäftsführer des Verbands Deutscher Kapitäne (VDK), Karlheinz Follert, am Montag der Deutschen Presse-Agentur (dpa) in Hamburg. Es sei zudem unmöglich, "auf jedem Schiff eine Kampfgruppe zu stationieren".

Seeleute auf zivilen Schiffen seien professionellen Seeräubern jedoch keinesfalls gewachsen. "Piraten haben die besseren Waffen, und sie können besser damit umgehen", sagte Follert. Für die große Zahl von Handelsschiffen, die vor der Küste Somalias sowie im Indischen Ozean unterwegs seien, sei eine Bewaffnung daher keine ernsthafte Option. Es sei Aufgabe der Politik, nach Lösungen zu suchen. Rund 30 Marineschiffe verschiedener Staaten sind derzeit vor der Küste Somalias gegen Piraten im Einsatz. Auch die deutsche Marine beteiligt sich im Rahmen der EU-Mission "Atalanta" daran.

Ein in Kenia als Pirat angeklagter Somalier hat nach einer Entscheidung des Berliner Verwaltungsgerichts keinen Anspruch auf Erstattung von Kosten für einen deutschen Anwalt oder auf konsularischen Beistand. Das Gericht wies einen Eilantrag des Beschuldigten ab. Der Antragssteller war im März als mutmaßlicher Seeräuber von der Besatzung der deutschen Fregatte Rheinland-Pfalz aufgegriffen und nach Kenia überstellt worden.

Aus Sicht der Verwaltungsrichter bestehen keine Ansprüche gegen Deutschland, nur weil deutsche Streitkräfte den Mann nach Kenia gebracht haben. Auch habe der mutmaßliche Pirat nicht glaubhaft machen können, dass der bestellte deutsche Anwalt ihn überhaupt vor dem zuständigen Gericht in Mombasa würde vertreten können. Der Verteidiger habe dort keine Zulassung. Konsularischer Beistand stehe dem Mann ebenfalls nicht zu, sondern nur deutschen Staatsbürgern, urteilte das Gericht. (AZ: Verwaltungsgericht Berlin VG 34 L 130.09)

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8 Kommentare

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  • A
    aso

    Scheinbar sollten die Piraten doch besser gezielt nach holländischen Schiffen Ausschau halten...:

     

    http://blogs.taz.de/meineguete/2009/05/18/somilia-piraten_finden_die_niederlande_ist_wunderbar/

  • A
    aso

    @ George Oberle:

     

    Scheinbar befinden Sie sich in völliger Unkenntnis der Zuständigkeiten:

     

    somalische Straftäter begehen vor ihrer eigenen Küste Straftaten. Wer anders als die somalische Justiz wäre zuständig?

    Da es keine funktionierende somalische Justiz gibt (und falls es eine gäbe wäre es die Scharia), gibt es das EU-Abkommen mit Kenia, dessen Justiz stellvertretend für die somalische eintritt.

     

    Eine europäische Zuständigkeit ist insofern einfach nicht vorhanden. Die gäbe es nur mit einem europäischem Haftbefehl. Da dieser nicht vorliegt, ergibt sich keinerlei Zuständigkeit einer europäischen Justiz.

     

    Den Straftätern dürften die Zustände in den somalischen, bzw. kenianischen Gefängnissen bekannt sein.

    Insofern sollten sie tatsächlich frösteln angesichte des Risikos das sie trotzdem bereit sind einzugehen.

    Die Überfischung ist in der Tat ein weltweites Problem, und zwar vor jeder Küste für deren Bewohner.

    Daraus aber die Rechtfertigung für Straftaten abzuleiten ist völlig irrelevant.

     

    Was Sie als „schwachsinnige Vorurteile“ bezeichnen sind einfach Fakten, die Sie aufgrund Ihrer Realitätsverweigerung nicht in der Lage sind zu erkennen.

    Was „der Satz "in dubio pro reo" hier bedeuten soll, erschließt sich nicht wirklich. Da die Zuständigkeit der kenianischen Justiz gegeben ist, dürfen Sie gern recherchieren, ob dieser juristische Grundsatz dort Geltung hat.

    Sterblichkeitsrate:

    nennen Sie bitte einen einzigen Fall eines im kenianischen Gefängnis verstorbenen Piraten.

    Nochmal: mit Geld lassen sich in afrikanischen Gefängnissen jederzeit bessere Haftbedingungen schaffen, auch medizinische. Und Geld haben die Piraten bekanntlich genug.

    Im übrigen gilt das oben gesagte: wer in Kenntnis der Zuständigkeit der kenianischen Justiz trotzdem Straftaten begeht, geht dieses Risiko ganz offensichtlich bewußt ein.

    „...Alles also, wie bereits gehabt...“

    Das muß ja nicht sein, denn schließlich zwingt niemand diese Menschen Piraten zu werden. Sie tun dies freiwillig, in der Hoffnung mit ihren brutalen Straftaten reich zu werden und nicht geschnappt zu werden. Und so hat es ja schon bei vielen funktioniert: schließlich sind bereits Lösegelder in dreistelliger Millionenhöhe gezahlt worden.

    Da darf dann nicht gejammert werden, wenn die Europäer und andere Länder sich das nicht länger bieten lassen...

    Manche Leute sollten, statt Leserbriefe zu schreiben, besser handeln und den armen Piraten helfen: schicken Sie doch Geld oder Sachspenden in deren Gefängnis.

  • GO
    George Oberle

    Als Afrikaner lässt mich die Ignoranz mancher gut-deutscher Leserbriefschreiber frösteln: sie schreiben, ohne eine Ahnung von den Zuständen auf unserem Kontinent zu haben.

     

    Mit der Chuzpe von europäischen Regierungen tun sie die Überfischung vor den afrikanischen Küsten als "weltweit ab, obwohl jedem Menschen klar sein müsste, dass die Überfischung für Afrikaner einen ganz anderen Stellenwert besitzt, als für reiche Europäer.

     

    Ebenso wenig Respekt erweisen solche Schreiber kulturellen und religiösen Essensvorschriften. Wenn diese Vorschriften bei ihnen so wenig Gültigkeit besitzen, sollte man inhaftierten (Schweinefleisch essenden) Deutschen - je nach Weltgegend – Ratten, Würmer, Affen oder Schlangen als Nahrung reichen; der Aufschrei ihresgleichen wäre sich - zu Recht - enorm.

     

    Der Rest solch schwachsinniger Vorurteile, wie „Luxus-JVA“, „run auf deutsche Schiffe, „Taxi nach Kenia“, „zahlt womöglich keine Steuern“, etc. erübrigt jeden Kommentar.

     

    Der Satz "in dubio pro reo" schein bei solchen Vorurteil ohnehin nur für Europäer zu gelten.

     

    Manche Leute sollten, statt Leserbriefe zu schreiben, besser Berichte von Menschenrechtsorganisationen lesen, damit sie über die Sterblichkeitsrate in afrikanischen (kenianischen) Gefängnissen aufgeklärt wird.

     

    Erstaunlich ist nur, wie sehr manche Deutsche den Erklärungen ihrer Regierung vertrauen und kritiklos alles übernehmen, was diese ihnen vorbetet.

     

    Alles also, wie bereits gehabt. Gegen Ignoranz gibt es leider keine Kur.

  • A
    aso

    Geradezu Furcht einflößend, wie aus gut unterrichteten Gutmensch-Kreisen Partei für die „armen“ Straftäter ergriffen wird, und sie in die Opfer-Rolle manövriert werden.

    So als seien die Europäer selbst Schuld, daß sie Opfer krimineller Clans werden. Die Überfischung ist ein weltweites Problem. Und der Piratenjob ist womöglich lukrativer als der mühsame Fischfang.

    Das deutsche Marineschiff handelt als Amtshilfe der nicht (mehr) vorhandenen somalischen Küstenwache.

    Für die Übergabe an Kenia gibt es ein Übergabe-Abkommen der EU, da dies nicht nur deutsche Marineschiffe betrifft. Es gibt auch keinen deutschen Haftbefehl.

    Folglich haben die Piraten natürlich keinen Anspruch auf deutschen Rechtsbeistand, nur weil sie von einem deutschen Schiff an ihrer Straftat gehindert und per Taxi nach Kenia verbracht wurden.

    Da es sich nicht um arme Leute handelt, sollten sie eher die entstandenen Einsatz-/ Transportkosten ersetzen.

    Kenia ist kein Rechtsfreier Raum, hat mit Guantanamo nichts zu tun.

    Die Piraten sind auf der Fahrt nach Kenia durch spezielles Essen für Muslime verwöhnt worden. Das weckt Hunger nach mehr deutscher Luxus-Behandlung:

    Deshalb hat ein Pirat die BRD wegen „unrechtmäßiger Überstellung“ verklagt, und fordert wegen der schlechten Haftbedingungen im kenianischen Gefängnis 10000,- € Schadenersatz.

    Sicher unterscheidet sich ein kenianischen Gefängnis nicht von einem somalischen. Und würde es gelingen, stattdessen in einer deutschen Luxus-JVA unterzukommen wäre ein run auf deutsche Schiffe vorprogrammiert.

    Insofern gehört eine Verhaftung, sowie Unterbringung in einem ortsüblichen Gefängnis zum einzukalkulierendem Berufsrisiko.

    Es gibt in Kenia Piraten, die schon seit Jahren auf ihr Berufungsverfahren warten. Von Todesfällen gefangener Piraten war bisher nichts zu hören. Geld soll im Gefängnis auch helfen, die medizinische Versorgung zu verbessern.

    Wer so daherschwätzt, zahlt womöglich keine Steuern.

    Aber jeder, der so vehement für die armen Piraten Partei ergreift, könnte trotzdem helfen, und einen Adoptionsantrag stellen...

  • GO
    George Oberle

    Die Leserbriefe zu diesem Artikel machen mir Angst: natürlich haben die Piraten einen Anspruch auf deutschen Rechtsbeistand, da sie von einem deutschen Marineschiff festgenommen und nach Kenia gebracht wurden und daher um ihrem gesetzlichen Richter gebracht wurden - Guantanamo Bay lässt grüßen.

     

    Schlimm wird es allerdings, wenn Europäer ihr Stammtischwissen von afrikanischen Gefängnissen zum Besten geben: solche Schwätzer sollten sich erst einmal selber dort einschließen lassen, um zu wissen, dass man dort in kürzester Zeit von Infektionskrankheiten hingerafft werden kann und dagegen auch kein Bargeld hilft, da medizinische Spezialisten nicht zur Verfügung stehen.

     

    Bezüglich des in konservativen Kreisen - oft zitierten deutschen Steuerzahlers bleibt nur zu sagen, dass er mehr als genug vom Leerfischen der afrikanischen Küsten profitiert hat; und sei es nur durch billiges Katzenfutter für seine lieben Tierchen.

  • A
    aso

    @ iBot:

     

    Es handelt sich um den Berliner Anwalt Andreas Schulz, der von Mohamud Mohamed Hashi beauftragt worden sein will, und seinen Frankfurter Kollegen Oliver Wallasch.

    Vor Ort vertreten werden die Täter von dem lokalen Anwalt Jared Magolo.

    Da es sich bekanntlich um finanzstarke Tätergruppen handelt düfte die Finanzierung von Anwälten kein Problem sein.

    Auch miese Haftbedingungen lassen sich ortsüblich durch Finanztransfers schnell verbessern.

  • I
    iBot

    Schöne Rede, jetzt müsste nur noch jemand verstehen, von welchen Anwälten Sie sprechen.

  • A
    aso

    Diese Anwälte sind scheinbar völlig durchgeknallt:

    allein aus dem Transport vom Tatort zur zuständigen Justiz einen Rechtsanspruch auf Erstattung der

    Anwaltskosten, plus konsularischen Beistand gegen den Transporteur ableiten zu wollen...dreister geht’s wohl kaum noch.

    Den Anwälten geht’s nicht um die „armen Täter“, denn die haben bereits einen Anwalt vor Ort, und deren Hintermänner scheffeln bekanntlich Millionen, an diese sollten sich die Anwälte als Geldgeber wenden, statt ans AA.

    PR in eigener Sache dürften die Motive sein.

    Kämen sie damit durch hieße das für unsere Weicheier-Truppe wieder: Piraten nur verjagen, auf keinen Fall festnehmen...

    Mit anderen Worten: deutsche Anwälte machen sich Sorgen um Aufträge von schwerreichen Piraten, wollen aber dafür vom deutschen Steuerzahler bezahlt werden...

    wer soll dafür Verständnis haben?