Prozess gegen Manning: Der Whistleblower schweigt
Im Prozess gegen Bradley Manning wurden Zeugen gehört. Seine Anwälte argumentieren, Mannings "sexuelle Identitätskrise" hätte seinen Job eigentlich unmöglich gemacht.

Der Obergefreite Manning (Mitte) wird zum Gerichtstermin eskortiert. Bild: ap
WASHINGTON taz | In seinem Vorprozess hat Whisteblower Bradley Manning darauf verzichtet, das Wort zu ergreifen. Nach fünf Tagen Vernehmung der Zeugen der Anklageseite, ließ das Gericht in Fort Meade (Maryland) am Mittwoch erstmals Zeugen der Verteidigung auftreten: allerdings nur zwei von rund 50.
"No Sir", lautete Mannings knappe Antwort, als Ermittlungsrichter Paul Almanza ihn fragte, ob er "in irgendeiner Form eine Erklärung" abgeben wolle. Wie in den bisherigen Prozesstagen machte sich der junge Soldat im Kamouflage-Anzug und mit dicker Hornbrille lieber ruhig seine Notizen. Das Gespräch suchte der 24-Jährige lediglich leise mit seinen Verteidigern.
Die setzen vor allem auf zwei Strategien: Zum einen heben sie die laxen Sicherheitsmaßnahmen für Geheimdaten in der irakischen Militärbasis hervor, in der Manning von 2009 bis 2010 stationiert war. Während dieser Zeit soll der Analyst für Geheimdokumente Hunderte von vertraulichen militärischen und diplomatischen Dateien abgefangen, kopiert und an die Enthüllungsplattform Wikileaks weitergegeben haben.
Sexuelle Orientierung und psychische Labilität
Zum andern argumentiert die Verteidigung damit, dass Manning wegen seines sexuellen Orientierungsproblems und seiner psychischen Labilität niemals hätte im Irak stationiert werden können. Erst recht hätte er nicht mit Geheimdokumenten betraut werden dürfen. Aufgrund seiner Neigung zu Männern sei Manning von seinen Kameraden ausgegrenzt und verhöhnt worden. Er selber habe sich wiederholt auffällig und agressiv benommen, hatte eine Vorgesetzte am Vortag ausgesagt.
So berichtete auch einer der beiden Verteidigungszeugen, Mannings ehemaliger Vorgesetzter Daniel Padgett, wie der Angeklagte während eines Beratungsgesprächs in Rage geriet. "Wir saßen für eine im Konferenzraum. Manning erhob sich und warf den ganzen Tisch um." Ein Computer und andere Dinge seien zu Boden gefallen, und Manning habe von Sicherheitskräften festgehalten werden müssen. Der Soldat habe ihn "derart angestarrt", dass ihm unbehaglich und mulmig geworden sei.
Wie sehr Manning unter der damals noch gängigen "Don’t ask, don’t tell"-Regel (Frag nicht, sag nichts) in der US-Armee litt, belegen frühere Gespräche, etwa mit dem ehemaligen Hacker und FBI-Informanten Adrian Lamo, der ihn schließlich verpfiff. Manning litt nach Aussage seiner Verteidiger unter seiner sexuellen Identitätskrise. Er fühlte sich zu Männern hingezogen, was es ihm zwar möglich machte, in der Armee zu sein, aber nicht, sich dort zu outen. Offenbar plante er nach seiner Entlassung aus dem Militärdienst, sich in Breanna Manning umwandeln zu lassen.
Unter den ursprünglich 48 Zeugen, die die Verteidigung vorladen wollte, sind auch ein Psychologe sowie Psychiater. Das Gericht lehnte ihre Vorladung ab.
Prozessbeobachter gingen davon aus, dass die Vorverhandlung bereits am Donnerstag abgeschlossen sein würde. Richter Almanza wird dann bis zum 16. Januar erklären, ob Manning vor ein Militärgericht gestellt wird. Ist dem so und wird er in allen oder einigen 22 Anklagepunkten schuldig gesprochen, droht ihm lebenslängliche Haft.
Leser*innenkommentare
Pink
Gast
Manning ist ein Held.
Deshalb habe ich ihn ausgezeichnet mit dem pinken Tapferkeitsorden.
Seine sexuelle Ausrichtung ist Jacke wie Hose angesichts der Informationen, die wir ihm zu verdanken haben. Zu verdanken im ursprünglichen Sinne der Worte.
Danke Bradley Manning !
pekerst
Gast
@ P.Haller: Und wer, bitte schön, steht dann "rechts"?
saalbert
Gast
"auffällig und agressiv" - Wirklich "agressiv"?
"Wir saßen für eine im Konferenzraum." - Für eine was?
P.Haller
Gast
@reblek
Ich hab's mal ausgemessen. Der Obergefreite ist vollkommen exakt in der Mitte. Und damit meine ich in der Mitte des Bildes (wo denn sonst ?).
In der Mitte der Gesellschaft wohl nicht und auch nicht in der Mitte seines Lebens, nehme ich mal an.
Aber das hat man wahrscheinlich mit der Bildunterschrift auch gar nicht gemeint.
Man kann Korinthenkackerei auch übertreiben, dann wird's allerdings dumpfbackig.
reblek
Gast
Bildunterschrift: "Der Obergefreite Manning (Mitte) wird zum Gerichtstermin eskortiert." - Nicht schlecht, vier Leute auf dem Bild und Manning in der Mitte. Schöne taz-Geographie.
karakoram
Gast
Mal aus einer ganz anderen Warte betrachtet - der des gesunnden Menschenverstandes: Es ist absurd, unglaublich, ein Hohn, dass die Öffentlichmachung von Staatsterrorismus und geheimen Menschenrechtsverstößen ein Straftatbestand ist und nicht ein Grund zur Verleihung eine verdammten Ordens.
Dieses ganze menschenverachtende Gezücht, das ständig junge Leute in Kriege schickt, um ihre Pfründe zu sichern und ihre widerliche Agenda voranzutreiben, kann sich das nämlich nur solange erlauben, wie keiner davon weiß.
Bedingungslose Offenheit! Ein Staat, der so handelt, dass er Geheimnisse vor seinen Bürgern haben muss, kann im eigentlichen Wortsinn niemals wirklich ein Rechtsstaat sein.
Naiv? Utopisch? Oder könnte es auch an der Zeit sein, gewisse Definitionen, Positionen und Verfahren zu ändern, um sich die Chance zu bewahren, sich als Menschheit endlich mal wirklich weiter zu entwickeln?
Konformistische Phantasielosigkeit gilt nicht. Sie wird nie irgendwohin führen.
Wenn es Wirklichkeitssinn gibt, muss es auch Möglichkeitssinn geben. (Nach Robert Musil)
Aus Haching
Gast
Schuldunfähig wegen Homosexualität? Da weiß ich nicht, ob ich lachen oder weinen soll.
Genauso absurd ist, dass die US-Armee seinerzeit 22-jährige aus Iowa als Analysten für Geheimdokumente einsetzt.
Notscha
Gast
Ein wenig mehr Sorgfalt in der Art und Weise der Berichterstattung wäre begrüßenswert, wenn es darum geht Homosexualität, Transgender, psychische Labilität und Gewaltbereitschaft in einen Topf zu schmeißen! Hier entsteht ein seltsam schiefes Bild über Homosexualität (die nicht das gleiche ist wie Transgender!), ich würde mir doch mehr Konjunktive wünschen! Ungeschickt geschrieben!