piwik no script img

■ Prozeß gegen IGM-SekretärDreifache Demütigung

Im Prozeß gegen den IG-Metall-Sekretär Detlef K., angeklagt wegen sexueller Nötigung einer Kollegin, sind die Plädoyers gehalten worden – und was für welche. Verteidiger Bärlein und Verteidigerin Müller führten sich auf, als habe es die jahrelange Debatte über die moralischen Grenzen für die Verteidigung von Sexualtätern nie gegeben. Mit blühender Männerphantasie malte der Anwalt aus, wie die Frau den Angeklagten zu seiner Tat verführt habe. Ein Zungenkuß bei einer Betriebsfeier – das Opfer spricht von einem abgewehrten Kußversuch – habe den Mann glauben gemacht, es handle sich um Flirt. Den habe er bei der Heimfahrt im Auto fortsetzen wollen und „bloß nicht mitbekommen“, ob sein Verhalten, ihr seinen Penis in den Mund zu zwingen, „angemessen war“.

Fast noch schlimmer waren die Hilfsbeweisanträge von Verteidigerin Müller. Sie beantragte die Erstellung eines Gutachtens darüber, ob der – angebliche – Erinnerungsausfall des Angeklagten bezüglich seiner Tat mit seiner „Enthemmung“ durch „Alkoholkonsum und sexuelle Erregung“ zu erklären sei. Ein zweites psychologisch-medizinisches Gutachten, forderte sie, sollte sich mit der Glaubwürdigkeit der Nebenklägerin, „die alle freiwilligen Anteile an der Tat verdrängt hat“, befassen. Ausgerechnet eine Frau gab sich dafür her, mit dem Mythos der klassischen Triebtheorie – Männer seien unfähig, ihren Sexualtrieb zu beherrschen – ein Gewaltdelikt zu entschuldigen und das Opfer zur Mittäterin zu machen. Mit dieser widerwärtigen Strategie sollte die Frau – nach der Tat und den Repressalien ihrer Kollegen und Vorgesetzten – wohl zum dritten Mal gedemütigt werden. Daß sich der Angeklagte ausdrücklich seiner Verteidigung anschloß, spricht dafür, daß er trotz seiner Entschuldigungsversuche gegenüber dem Opfer nicht das Geringste kapiert hat. Ute Scheub

Prozeßbericht auf Seite 5

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen