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Prozess gegen BVG-SecurityTod im Tunnel

Drei Security-Leute angeklagt: Sie sollen einen tödlichen U-Bahn-Unfall nicht verhindert haben.

Achtung: Nur die U-Bahnen sollten in den Tunnel. Bild: dpa

"Gucken Sie einfach weg!", empfehlen die Verteidiger ihren Mandanten, als am Mittwochmorgen die Kameras im Amtsgericht Tiergarten klicken. Weggeschaut haben sollen die drei Security-Leute im Dienst der BVG auch im April 2008: Als Fahrgäste ihnen beim Halt der U9 auf dem U-Bahnhof Nauener Platz berichten, ein Mann sei seinem Hund in den Tunnel hinterhergelaufen, lehnt sich ein weiterer Kollege kurz aus der Tür und befindet: "Da ist nichts." Der Zug fährt los, wenig später knallt es: Hund und Herrchen sind tot.

Der Sicherheitsmann, der nichts gesehen hat, wird im Mai 2010 wegen fahrlässiger Tötung zu sechs Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Dabei stellt sich heraus, dass im U-Bahn-Abteil hinter der Fahrerkabine auch die drei Männer im Alter von 49 bis 55 Jahren gestanden haben, die sich jetzt vor Gericht verantworten müssen. Verurteilt sind sie noch nicht, vielleicht werden sie es auch nicht. Denn moralische und strafrechtliche Schuld sind zwei verschiedene Dinge.

Strafrechtlich relevant sind diese Fragen: Wussten die Angeklagten, dass sie die Abfahrt des Zuges verhindern mussten? War ihnen klar, dass sie dem Zugfahrer Bescheid sagen oder die Notbremse ziehen mussten? Ja, sagt der frühere BVG-Betriebsleiter Kurt B. Angestellt seien die Männer zwar nicht bei der BVG, sondern bei der Firma Securitas. Jeder von ihnen besuche aber vor dem ersten Einsatz einen einwöchigen Verhaltenslehrgang in der BVG-Betriebsschule, und einmal jährlich würden sie nachgeschult. Eines der besprochenen Szenarien heiße "Tier im Tunnel".

"Die Mitarbeiter haben versagt, sonst brauchen wir diese Lehrgänge nicht", sagt der Zeuge. Man wolle damit die Securitas-Leute für die Abwehr von Gefahren sensibilisieren, denn die Fahrgäste reagierten oft zu zögerlich: "Die steigen einfach aus, wenn es irgendwo schmurgelt." Die Verteidiger sehen das anders. Es müsse bewiesen werden, dass den Angeklagten in ihrer Erstschulung aufgetragen wurde, in solchen Fällen Meldung zu machen. Einer der Anwälte sagt, man wolle die Schuld auf die "kleinen" Sicherheitsmitarbeiter abwälzen: "Warum werden denn die Tunnel nicht heller ausgeleuchtet? Die Sicherheitsmitarbeiter seien "für die Fahrgäste da, nicht für die Tunnelbewohner."

Beim nächsten Prozesstermin wird es auf das Erinnerungsvermögen dreier BVG-Ausbilder ankommen.

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2 Kommentare

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  • M
    mike

    Nein die schauen nicht nur weg, die greifen sich auch schon mal Betrunkene heraus um danach mit völlig frei erfundenen Geschichten und falschen medizinischen Gutachten sich Schmerzensgeld einzuklagen. Die sind bei der Geldbeschaffung sehr aktiv. Ich selbst soll einen dieser Sicherheitsleute 2009 in die Hand gebissen haben. Der Sicherheitsmann beantragte gleichzeitig mit seiner Schmerzensgeldklage die Aussetzung seiner Zwangsvollstreckung. Er brauchte halt dringend Geld, ist ja auch verständlich bei einen Stundenlohn von 6€.

  • V
    vincent128

    Aus der täglichen Erfahrung muss ich feststellen: die BVG-Security-Leute gucken leider sehr oft weg. Sei es bei pöbelnden Jugendlichen, Leuten, die im U-Bahnhof unerlaubt Rauchen etc. "Bloß keinen Stress/ keine Arbei", das schint die grundlegende Einstellung zu sein. Da kann man sich die Damen und Herren auch gleich sparen.