Prozess-Absprachen: Zypries für transparentere Deals
Die Regierung bringt das Gesetz über "Absprachen im Strafverfahren" auf den Weg. Die Strafe, so Ministerin Zypries, muss aber schuldangemessen bleiben.
BERLIN taz Erstmals sollen sogenannte Deals gesetzlich geregelt werden. Wann und wie ein Strafprozess durch Absprachen beendet werden kann, soll künftig in der Strafprozessordnung nachzulesen sein. Einen entsprechenden Gesetzentwurf von Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) hat gestern das Bundeskabinett auf den Weg gebracht. "Wir ziehen dabei rechtsstaatliche Korsettstangen in die bisherige Praxis ein", sagte Zypries am Dienstag bei der Vorstellung des Gesetzentwurfs.
Absprachen im Strafprozess sind schon seit Jahrzehnten üblich, werden also nicht neu eingeführt. Wenn der Angeklagte zumindest einen Teil der Vorwürfe gesteht und so das Verfahren beschleunigt, sichert ihm das Gericht eine relativ milde Strafe zu. Rund 60 Prozent der meist sehr komplizierten Wirtschaftsstrafverfahren werden so beendet. "Deals sind aber kein Privileg für Weiße-Kragen-Täter", betonte Zypries, "es gibt sie in jeder Art von Verfahren, etwa auch bei Drogen- und Gewaltdelikten." Ein Verbot solcher Absprachen kam für Zypries nicht in Betracht. "Auch wenn die Justiz viel besser ausgestattet wäre, ist es sinnvoll, die Ressourcen effizient einzusetzen und Opfer nicht durch lange Prozesse unnötig zu belasten."
Voraussetzung für einen Deal soll aber sein, dass der Sachverhalt ausreichend aufgeklärt und die abgesprochene Strafe "schuldangemessen" ist. Dies hatte bisher auch schon der Bundesgerichtshof verlangt. Im Wesentlichen wird also dessen Rechtsprechung jetzt gesetzlich festgeschrieben.
An einem Punkt geht die Bundesregierung allerdings über die bisherigen Anforderungen hinaus. Absprachen zwischen Gericht und Angeklagten müssen in Zukunft transparenter sein. Alle Verhandlungen über solche Absprachen - und nicht nur das Ergebnis - müssen künftig in der Hauptverhandlung mitgeteilt und dokumentiert werden. Allerdings nimmt Zypries den Mund etwas zu voll, wenn sie verspricht, die Deals "aus den Hinterzimmern in den Gerichtssaal" zu holen. Die Vorgespräche für den Deal werden wohl auch weiterhin nicht vor den Augen der Prozesszuschauer stattfinden.
Um zu betonen, dass das so gefundene Urteil ein "ganz normales Urteil" ist, bleiben auch Rechtsmittel dagegen möglich. Ein Angeklagter kann also in Berufung gehen, wenn er nur deshalb ein Geständnis ablegt hat, weil ihm das Gericht eine überhöhte Strafe angedroht hat. Keine Rechtsmittel sind jedoch vorgesehen, wenn das Opfer der Tat oder die Öffentlichkeit die ausgedealte Strafe für zu niedrig hält. Hier hatte Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) ursprünglich eine Kontrollmöglichkeit gefordert, seine Bedenken dann aber zurückgestellt.
Der Gesetzentwurf soll noch in diesem Sommer vom Bundestag beschlossen werden, vermutlich zusammen mit der von Zypries ebenfalls geplanten Kronzeugen-Regelung.
Wolfgang Neskovic, Abgeordneter der Linkspartei und BGH-Richter, forderte gestern ein Verbot von strafrechtlichen Deals. "Statt eine unwürdige und ungerechte Praxis in Gesetzesform zu gießen, ist es vielmehr notwendig, die Gerichte besser auszustatten."
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