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■ „Hürriyet“ und der Abgeordnete Cem ÖzdemirProvokation statt Journalismus

Die zwei Millionen Menschen aus der Türkei, die in Deutschland leben, geraten zunehmend zwischen die Fronten. Innertürkische Konflikte sind längst Bestandteil von politischen und gesellschaftlichen Vorgängen in Deutschland. Unter der Bevölkerung herrscht bislang Besonnenheit. Die pluralistische politische Struktur in Deutschland ist der Garant für einen friedlichen Umgang mit Konflikten. Die Selbstfindung und Interessenvertretung von Gruppen kann nicht reibungslos verlaufen. Reibung, Streit und Konflikt gehören zur Innenarchitektur jeder Demokratie. Doch manchem scheint die weitgehend friedliche Entwicklung der türkischen Gesellschaft in Deutschland ein Dorn im Auge zu sein. Mit unterschiedlichen Mitteln und von verschiedener Seite wird Unruhe gestiftet, werden Emotionen ausgeschlachtet, wird immer wieder an empfindlichen Stellen provoziert. Der bewaffnete kurdische Kampf versucht es mit Brandanschlägen auf türkische Einrichtungen. Es ist ihm bislang nicht gelungen, Ressentiments zwischen Türken und Kurden in offene Feindschaft umschlagen zu lassen. Türken und Kurden in Deutschland sitzen im selben Boot. Politiker und Medien müssen sich an der Besonnenheit der Menschen messen lassen, auf deren Rücken politische und gesellschaftliche Auseinandersetzungen ausgetragen werden. Der Abgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen, Cem Özdemir, hat dieser Zeitung ein Interview gegeben, in dem er sich unter anderem zu nationalistischen Tendenzen in der türkischen Presse äußert. Tatsächlich hat sich die Tonlage mancher türkischen Zeitung in letzter Zeit verschärft. Cem Özdemir war mehrmals Zielscheibe von rüden Attacken. Wer nicht mit uns ist, ist gegen uns, lautet die einfache Devise, die manchem Schreiber das Denken erspart.

Die Angriffe gegen Özdemir sind nicht bloß Angriffe gegen eine Person. Sie sind Stellungnahmen in einem Richtungskampf, dem die türkische Minderheit in Deutschland in Zukunft noch stärker ausgesetzt sein wird. Ohne Zweifel üben die türkischen Medien weiterhin einen starken Einfluß auf die deutschen Türken aus. Ihre Verantwortung wächst mit der Tatsache, daß sie nicht mehr nur Gastarbeiter bedienen, die aus Heimweh an Magenschmerzen leiden. Doch nehmen sie die Entwicklung der deutsch-türkischen Gesellschaft überhaupt wahr? Manch einer, der sich verpflichtet fühlt, mit reichlicher Unkenntnis der Verhältnisse täglich aus Istanbul mahnende Briefe nach Deutschland zu schreiben, darf sich nicht wundern, wenn seine Sprache von jungen, in Deutschland aufgewachsenen Türken als Provokation empfunden wird. Zafer Șenocak

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