Provider rütteln am Neutralitätsgebot: Kein Bock auf Tauschbörsen
Darf ein Provider den Netzverkehr blockieren, wie es ihm gefällt? Der US-Kabelriese Comcast will dieses Recht nun vor Gericht erstreiten. Andere Provider würden gerne mitblockieren.
Im Internet gilt schon seit den Anfangstagen ein eisernes Grundprinzip: Die Provider leiten jedweden Datenverkehr zu ihren Kunden durch, den diese anfordern - ohne einzelne Dienste zu bevorzugen. Diese grundlegende Offenheit, "Netzneutralität" genannt, machte in der Geschichte des Netzes zentrale Angebote vom World Wide Web über die IP-Telefonie bis hin zum Online-Fernsehen möglich: Ein Garant für Innovation. Niemand stellte sich hin und sagte: "Das geht nicht."
Fast niemand.
Denn nun will der US-Kabelriese Comcast vor Gericht das Recht erzwingen, Internetanbieter unterschiedlich behandeln zu dürfen und bestimmte Daten gar ganz zu blockieren. Und das ist nur der bisher spekatakulärste Fall. in jüngster Zeit gerät das Online-Grundprinzip zunehmend unter Beschuss. Viele wichtige Provider in den USA wie anderswo würden gerne selbst bestimmen, wer was wann im Netz tun darf und wollen den von ihnen kontrollierten Zugang zum Endkunden zu Geld machen.
So plant der größte Internet-Anbieter der USA, AT&T, bestimmte Online-Angebote zu bevorzugen und diese schneller auszuliefern, wenn sie extra bezahlen. Britische Provider blockieren Dateitauschbörsen, weil diese angeblich zuviel Traffic erzeugen.
In Frankreich kursieren Pläne, nach denen Internet-Anbieter die Polizei für Medienkonzerne spielen sollen: Werden die Kunden beim Dateiaustausch erwischt, soll ihnen der Netzzugang gesperrt werden. In Deutschland meldete sich bereits vor zwei Jahren Ex-Telekom-Chef Kai-Uwe Ricke mit Plänen zu Wort, Firmen im High-Speed-Netz VDSL für eine bevorzugte Auslieferung zahlen zu lassen.
Doch der aktuelle Fall setzt dem allen die Krone auf: Comcast, immerhin der größte Kabel-Internet-Provider der USA, wurde bereits im Sommer von der Regulierungsbehörde FCC abgemahnt, weil er nach Gutdünken Datenverkehr einer Dateitauschbörse für seine Kunden blockiert hatte. Die habe seine Online-Infrastruktur unnötig belastet, hieß es lapidar bei Comcast zur Begründung.
Das provozierte die FCC erstmals zu einem Machtwort in dieser Frage: Comcast verletze die Netzneutralität. Der Provider wurde deshalb dazu verdonnert, die Blockaden aufzuheben und seinen Kunden künftig mitzuteilen, wie er gedenke, sein Datenverkehrsmanagement zu betreiben. Murrend gab dieser zuerst nach, sich aber noch nicht geschlagen.
Denn unterdessen arbeiteten Comcasts Anwälte an der Sache. Am Donnerstag wurde nun bekannt, dass der Provider offiziell Klage gegen die FCC-Regulierung eingereicht hat. "Die Entscheidung war rechtlich unzulässig und unbegründet", heißt es im Antrag an das US-Berufungsgericht für den Distrikt Washington.
Man wolle seine Rechte schützen, weil die FCC "Bundesrecht gebrochen" habe: "Dazu gab es bislang keine Standards oder Regeln", so die Klageschrift weiter. Der Vorfall ist deshalb so wichtig, weil die FCC-Entscheidung einen großen Provider zum ersten Mal in Sachen Bruch der Netzneutralität in die Schranken wies - ohne eine klare rechtliche Grundlage. Deshalb war sie in liberalen Internet-Kreisen bereits groß gefeiert worden.
Gesetzlich ist das Netz-Grundprinzip in den USA aber noch heiß umkämpft: Versuche, die Netzneutralität ein für alle Mal festzuschreiben, waren stets gescheitert. Trotzdem meinte die FCC aus den aktuell geltenden Regeln ableiten zu können, dass sie Comcast abmahnen durfte. Ob zu recht, klären nun die Gerichte.
Wie eine eingeschränkte Netzneutralität aussehen kann, lässt sich derweil im mobilen Internet feststellen: Neben strikten Download-Limits, die den Zugang bei zu ausschweifenden Surftouren unterbrechen, haben alle großen Netzbetreiber von T-Mobile über Vodafone bis hin zu E-Plus Klauseln in ihren Nutzungsbedingungen, die unter anderem untersagen, Internet-Telefonate über ihr Netz zu führen.
Der Grund ist simpel: Die Konzerne wollen vermeiden, dass die Kundschaft teure Gespräche über das Mobilfunknetz umgeht und stattdessen billig per Internet kommuniziert. Genau aus solchen Gründen brauchen wir aber die Netzneutralität, meinen Befürworter wie die US-Bürgerrechtsvereinigung "Public Knowledge": Sie sorge unter anderem dafür, dass durch innovative Dienste die Preise sinken.
Gleichzeitig helfe sie auch, Zensur zu vermeiden: In Ländern wie China bestimme der Staat, was durch das Netz hindurch darf.
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