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Proteste nach Atom-KatastropheJapan-GAU bewegt Berlin

Nach dem Atomdesaster formiert sich in Berlin eine neue Anti-AKW-Bewegung. Tausende demonstrieren in Berlin, zum Protest vor dem Kanzleramt kommt reichlich Polit-Prominenz.

Bild: dpa, Maurizio Gambarini

Sie stehen vor dem Kanzleramt, vielen treibt die Wut die Tränen in den Augen. Einige Grablichter und weiße Nelken liegen vor dem Zaun am Sitz der Bundeskanzlerin. "Merkel hat nicht Angst vor Strahlen, Merkel hat nur Angst vor Wahlen", steht auf einem Plakat. Auf den Schultern einer jungen Mutter sitzt ein Kind und sagt: "Mama, ich will auch eine Fahne haben."

Rund 2.000 Menschen haben am frühen Montagabend ihren Protest gegen die Energiepolitik der Bundesregierung vor das Kanzleramt getragen. Hier, wo Angela Merkel für den heutigen Dienstag die Landesminister zum Atomkrisengipfel zusammengerufen hat, ist jetzt die Opposition versammelt. Alle sind sie da: SPD-Chef Sigmar Gabriel, Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit, die Grünen-Spitzenkandidatin Renate Künast, Linke-Chefin Gesine Lötzsch, DGB-Chef Michael Sommer. Die Stimmung ist bedrückend, die Menschen sind empört, immer wieder werden die Reden der Parteiprominenz von lautstarken Rufen unterbrochen: "Abschalten, Abschalten!" Die Botschaft dieses Protests ist eindeutig: Während die Agenturen melden, dass Neckarwestheim abgeschaltet wird, fordern Atomkraftgegner und Opposition die sofortige Abschaltung der acht ältesten Atomkraftwerke.

Zeitgleich fanden im gesamten Bundesgebiet Aktionen und Mahnwachen statt. Die atomkritische Initiative "ausgestrahlt" hatte im Internet alle Orte mit einem Fähnchen markiert, an denen Protestaktionen geplant waren. Die deutsche Landkarte war gespickt mit Fahnen. In Brandenburg mit dabei waren Orte wie Zossen, Neuruppin, Cottbus, Beeskow, Zehdenick, Potsdam, Beelitz, Bad Belzig, Königs Wusterhausen. Auch ein Brief an die Bundeskanzlerin -"AKWs abschalten - und zwar jetzt" - kann man über die Webseite abrufen. Über 77.000 Menschen hatten am Montagnachmittag bereits unterschrieben.

Schon am Mittag hatten rund 200 SchülerInnen der Friedensburg-Oberschule vor dem Kanzleramt protestiert. Unterstützt von einem Physiklehrer hatte der 16-jährige Schulsprecher Julian Siebdraht zu der Aktion mobilisiert. "Tschernobyl hat jeder von uns im Unterricht durchgenommen. Wir sind die Generation, die alles abbekommt. Die Politiker sind schon über 50. Die betrifft das nicht mehr", sagte eine Schülerin. Auch einen Brief an die Bundeskanzlerin haben die SchülerInnen geschrieben. Tenor: "Wir haben Angst!"

Am Alex versammelten sich am Abend rund 70 Protestler aus dem Montagsdemo-Spektrum. Unter Trillerpfeifengetöse forderte ein Redner "Widerstand gegen die menschenverachtende Atompolitik".

Auch unter türkeistämmigen BerlinerInnen ist die Atomkatastrophe ein Thema. Turgut Altug, Leiter des Deutsch-Türkischen Umweltzentrums in Kreuzberg, sagte, die Leute seien verärgert, dass die Regierenden bislang so getan hätten, "als habe das mit Deutschland nichts zu tun". Auch werde über die Türkei geredet, wo neue Atomkraftwerke in Erdbebengebieten geplant seien. "Selbstverständlich" beteilige er sich an den Protesten.

Und die gehen weiter: Für den heutigen Dienstag ist um 9:30 Uhr wieder eine Aktion vor dem Bundeskanzleramt geplant. Zu dieser Zeit hat die Bundeskanzlerin die Ministerpräsidenten zu einem Krisentreffen einbestellt. "Wir wollen die Proteste stückchenweise steigern", kündigt Uwe Hiksch von den Naturfreunden an. Am 26. März werde es bundesweit diverse Großdemonstrationen geben, die zentrale Veranstaltung werde in Berlin stattfinden.

Angesichts der Anti-Atom-Stimmung spricht sich auch die Berliner CDU inzwischen für eine schnelle Überprüfung der Sicherheitsstandards in den deutschen AKWs aus. CDU-Landeschef Frank Henkel sagte: "Wenn es Sicherheitslücken gibt, dann muss sofort gehandelt werden." Für die CDU sei die Atomkraft immer eine Brückenenergie gewesen, "und diese Brücke ist nach der bisherigen Entwicklung in einem Hochtechnologieland wie Japan instabil geworden".

Einige Berliner Apotheken verzeichnen inzwischen eine erhöhte Nachfrage nach hochdosierten Jodpräparaten. Viele Kunden wollten die Jodtabletten aber nicht selbst nehmen, sondern zu Freunden nach Japan schicken, sagte eine Apothekerin in Prenzlauer Berg. Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände rät indes von einer Einnahme von Jodtabletten ab. "Das nutzt nur etwas, wenn es eine radioaktive Wolke direkt über Deutschland geben sollte."

Mitarbeit: awi, ko, sk, sta

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5 Kommentare

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  • SL
    Sebastian Lohse

    Hallo

     

    ich sende Euch hiermit einen Videolink zu meinem Lied "Dr. Faust".

    http://www.youtube.com/watch?v=OC8LkeDyiq0&feature=related

     

    Es bezieht sich auf die Unverantwortlichen, die immer weiter machen wollen.

    Leider bekommt es gerade jetzt einen sehr aktuellen Hintergrund.

    Vielleicht ein guter Beitrag zur Diskussion...

     

    viele Grüße

     

    Sebastian

  • F
    FaxeDick

    Moin,

    Ja, ich habe ganz leise Hoffnung für meine Enkel. Es wird höchste zeit, dass unsere(??) blind konzernhörigen Volks(v)zertreter umdenken. Und das volk nicht als den feind erkennen.

    Konzerne haben ihre Interessen bestens im griff (exPräsidenten, exKanzler, exMinister vertreten sie, trotz ihrer Volkspension und ihrem früheren Eid!!).

    Endlich erinnert sich die 'wissende' Physikerin Dr. Merkel an ihren Eid gegenüber dem deutschen Volk!!

    Berlin wird sonst KAIRO.

    Ja, die hoffnung stirbt zuletzt!

  • WS
    Wendula Strube

    Ich war mit meinen Kindern da, wir kamen später und ich verstehe es durchaus, dass die Parteien Flagge zeigten, anders als meine Vorrednerin. Sie vergisst, dass auch Menschen aus dem mittleren Linken bis grünen Umfeld Gefühle haben und diese eben auf ihre Weise zum Ausdruck bringen möchten. Menschen sind nun mal verschieden. Und diese Parteifahnen schwingenden Leute benötigen auch die Freiheit, sich auf ihre Art Luft zu machen. Ich gehöre übrigens seit einigen Jahren ebenfalls dazu, weil ich nicht tatenlos herumirren möchte, sondern grundlegende Dinge erörtern, diskutieren und in Gesetzesanträgen verändern möchte. Ich halte inne, im Vorverurteilen derjenigen, die eben in einer Partei ihr Zuhause gefunden haben. Sie mit ihren Parteien und nicht die NGO’s machen letzten Endes immerhin die Gesetze, die uns regieren. Natürlich haben NGO’s ihre Berechtigung, aber sie können nur vorschlagen, machen tun es die Abgeordneten in den Ländern und im Bund. Aber wer ein wenig nachdenkt, muss in eine Partei eintreten, um wirklich etwas verändern zu können, daran gibt es in unserer Demokratie kein Vorbei. Ich habe mich damit angefreundet, streite jetzt in der Partei und erreiche immerhin Menschen, die z. Z. das Sagen in Berlin haben. Übrigens, meine Kinder sind sehr stolz darauf.

     

    Macht mit, macht nach, macht’s besser!

     

    Ausschalten, ausschalten, ausschalten, ausschalten, ausschalte....

  • KP
    Keine Parteien

    In unserer Stadt war Konsens, dass keine Parteisymbole dabei sein sollen. Hat auch geklappt und war sehr schön. Ich werde keine der Parteien wählen, sondern ungültig, weil ich leider keiner von denen mehr vertraue.

  • R
    rosaundkunterbund

    Ich war da und ich muss sagen ich habe eine Stinkwut.

    Ich gehe zu einer Mahnwache um mit Anderen meiner Trauer Ausdruck zu verleihen und wo lande ich? Auf einer Wahlkampfveranstaltung der Opposition, die nichtmal einige Minuten des Stillen Gedenkens, Trauerbehängung der Flaggen, Gebete oder Worte der AUFRICHTIGEN Trauer für Nötig hielt. Ich hatte extra Grablichter mitgebracht und wollte diese auch an Andere verteilen und niederlegen. Davon habe ich dann jedoch angesichts dieser würdelosen Wahlkampfveranstaltung abgesehen und werde dies dann heute Nacht nachholen. Natürlich werde ich eine der Anwesenden Parteien wählen um für den Atomausstieg zu wählen, aber die anwesenden Parteien haben vorerst alle meine Achtung verlohren.