Proteste in Perus Hauptstadt: Harte Hand gegen Waldschützer
In Lima fordern Demonstranten aus Solidarität mit den Ureinwohnern die Rücknahme der Umweltgesetze. Dabei kriegen sie Schützenhilfe aus Bolivien. Am Ende kommt es zu Unruhen.
In Peru haben zehntausende Menschen für die Unterstützung der Ureinwohner in der Amazonasregion demonstriert. Gleichzeitig wandten sie sich gegen die Regierungspolitik von Präsident Alan García und machten ihn für die jüngste Eskalation der Gewalt verantwortlich. Die Demonstranten waren am Donnerstag in zahlreichen Städten des Landes durch die Straßen gezogen. In der Hauptstadt Lima trugen sie Transparente mit der Aufschrift "La Selva no se vende" (Den Urwald verkauft man nicht) und "García-Asesino" (García-Mörder). Zu den Protestmärschen hatten indigene Organisationen, Gewerkschaften und Studentenverbände aufgerufen. Während die Proteste vielerorts friedlich verliefen, war es in Lima zu Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei gekommen. Die Polizei hatte zuvor die Straßen zum Parlamentsgebäude abgeriegelt.
Zu den kurzen und heftigen Ausschreitungen kam es, nachdem Demonstrationsteilnehmer versucht hatten, die Absperrungen der Polizei zu überwinden, um vor dem Kongress aufmarschieren zu können. Die Polizei setzte Tränengas ein, Demonstranten warfen Steine und Molotowcocktails.
Der Kongress hatte am Mittwoch in einer außerordentlichen Sitzung zwei umstrittene Gesetzesdekrete außer Kraft gesetzt, darunter das "Gesetz für den Wald und die Tierwelt des Waldes". In einer turbulenten Sitzung entschied sich das Einkammerparlament für die unbefristete Aussetzung der Dekrete. Der Antrag der oppositionellen Nationalpartei auf die gänzliche Annullierung der Erlasse wurde mit der Stimmenmehrheit der Regierungspartei von Präsident Alan García und den Abgeordneten der Partei des früheren Präsidenten Alberto Fujimori erst gar nicht zur Abstimmung zugelassen.
Nach einer Protestaktion der Opposition sind sieben Abgeordnete von der Kongressmehrheit für 120 Tage von ihren Mandaten suspendiert worden. Als "einen Staatsstreich gegen den Kongress" bezeichnete die suspendierte Abgeordnete Juana Huancahuari das Vorgehen der Regierungspartei. Derweil gab sich Staatspräsident Alan García unnachgiebig. "Die Politiker haben es mit extremistischen Formulierungen geschafft, die Bewohner des Urwaldes zu benutzen."
Die Teilnehmer der Demonstrationen sowie die Ureinwohner und ihre Organisationen fordern jedoch die vollständige Aufhebung der Gesetze sowie neun weiterer Dekrete. Das Waldgesetz war einer der Auslöser der Proteste, die am vergangenen Wochenende eskalierten. Dabei wurden nach offiziellen Angaben 33 Menschen getötet, darunter 24 Polizisten. Indianerorganisationen gehen jedoch von mindestens 25 getöteten Ureinwohnern aus.
Vertreter der indigenen Dachorganisation "Interethnische Vereinigung für die Entwicklung des Regenwaldes" (Aidesep) forderten zudem Neuwahlen und die Bildung einer verfassunggebenden Versammlung, die nach dem Vorbild Boliviens eine neue Verfassung ausarbeiten solle. Verbale Schützenhilfe kommt deshalb auch aus dem Nachbarland Bolivien. Boliviens Präsident Evo Morales hatte die Proteste der indigenen Bevölkerung in der peruanischen Amazonasregion als "eine große Lehrstunde zum Verständnis der Verteidigung ihres Lebens und der Umwelt," bezeichnet.
Die Gemeinschaften der Ureinwohner protestieren seit Anfang April mit unterschiedlichen Aktionen gegen die Umsetzung eines Freihandelsabkommens mit den USA. Sie wehren sich gegen die dabei gemachten Zugeständnisse an internationale Unternehmen, die die Bodenschätze ausbeuten und die Lebensräume der Ureinwohner zerstören. Das hat die Regierung von Präsident Alan García mit Dekreten zur Nutzung des Waldes und der Wasserreservoirs beschlossen.
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