Proteste in Nigeria eskalieren: Jetzt ist Strategie gefragt

Das System im bevölkerungsreichsten Land Afrikas ist marode und ungerecht. Nigeria steht am Abgrund. Jetzt gilt es, die Proteste zu strukturieren.

Menschen protestieren mit grün-weißen Fahnen

Lagos in Nigeria am Dienstag: Menschen protestieren gegen Polizeigewalt Foto: Sunday Alamba/ap

Nigeria ist zusehends außer Rand und Band, und der Staat kann die große Wut kaum noch kontrollieren. Das zeigen die Schüsse in der Nacht zu Mittwoch auf zahlreiche Menschen, die an der Mautstation Lekki in der Hafenmetropole Lagos demonstriert haben. Um die Brutalität der Polizeisonderheit SARS geht es dabei schon längst nicht mehr. Es geht ums Ganze, um ein marodes und ungerechtes System.

Seit Jahren hat sich in dem riesigen und multikulturellen Ölstaat viel Ärger aufgestaut. Durch Terrorismus, organisierte Kriminalität und Überfälle herrscht Unsicherheit in weiten Teilen des Landes. Gesundheitsversorgung und Bildung hängen vom Portemonnaie ab. Um beruflich Fuß zu fassen, sind zudem der richtige Name und ein Netzwerk nötig. Die Masse der Bevölkerung hat all das nicht.

Wahlen auf Bundes-, Landes- und Lokalebene haben das ebenso wenig geändert wie die zahllosen Versprechen der Politiker*innen. Deshalb ist es der richtige Weg, diese große Unzufriedenheit auf die Straßen zu tragen. Ohnehin ist es überraschend, dass das nicht schon viel früher geschehen ist, so stark, wie die Ungleichheit hier ausgeprägt ist. Durch ein anfangs klar definiertes Ziel, das Ende der brutalen Polizeisondereinheit SARS, hat das auch hervorragend funktioniert. Beeindruckend ist auch, wie beharrlich die Protestbewegung ist. Trotz wirtschaftlich schwieriger Zeiten durch Corona hat sie sich nicht mit Floskeln abspeisen lassen und macht weiter, obwohl die Sicherheitskräfte massive Gewalt einsetzen. Das ist ein Erfolg.

Nun gilt es aber, die Proteste zu strukturieren und nicht allein über die sozialen Medien zu koordinieren. Auch müssen weitere Ziele formuliert werden. Der Moment ist günstig, da der Druck auf die Regierung groß ist und die Demonstrant*innen weltweite Aufmerksamkeit bekommen. Bleibt eine Strategie jedoch aus, wird die Energie schnell verpuffen. Und genau das scheint die Taktik der Zentralregierung zu sein. Sie versucht, den Aufstand der jungen Bevölkerung auszusitzen.

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Nach dem Abitur im Münsterland bereiste sie zum ersten Mal Südafrika und studierte anschließend in Leipzig, Helsinki und Kopenhagen Journalistik und Afrikanistik. Nach mehreren Jahren im beschaulichen Schleswig-Holstein ging sie 2010 nach Nigeria und Benin. Seitdem berichtet sie aus ganz Westafrika – besonders gerne über gesellschaftliche Entwicklungen und all das, was im weitesten Sinne mit Religion zu tun hat.

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