Proteste auf dem Antirassismus-Camp: Andrang am Abschiebe-Flughafen
800 Teilnehmer des Antirassismus-Camps protestieren am Hamburger Flughafen gegen Sammelabschiebungen. Der ist ein europäisches Drehkreuz für Zwangsrückflüge.
"Charter der Schande" und "für grenzenlose Bewegungsfreiheit". Mit diesen beiden zentralen Aussagen demonstrierten am Freitag in Hamburg die TeilnehmerInnen des bundesweiten "Klima- und Antira-Camps" vor dem Flughafen-Fuhlsbüttel - und behinderten den Betrieb. Während 800 Menschen mit einer Demostration vor den Terminal "Tango" marschierten, wo die Bundespolizei ihr Domizil hat, störten Aktivisten der Gruppe "Fluten 3.0" den Flughafenbetrieb.
Nachdem Innensenator Christoph Ahlhaus (CDU) angekündigt hatte, bei Störaktionen am Flughafen "kein Pardon" zu kennen, war der Airport von einem Großaufgebot an Polizei abgesichert worden.
Der Flughafen in Hamburg-Fuhlsbüttel ist mittlerweile - neben Frankfurt am Main - zu einem Knotenpunkt in der europäischen Abschiebelogistik geworden. Hamburg gilt als Vorreiter für Sammelabschiebungen per Charter-Flieger.
Die hanseastische Ausländerbehörde hat deshalb seit Anfang dieses Jahres zwei Stabsstellen mit dem Namen "Rückführungen per Charter auf europäischer Ebene" geschaffen, die künftig Abschiebungen mit der europäischen Grenzschutzagentur "Frontex" koordinieren sollen. In dem Bereich engagiert sich derzeit besonders die Charter-Airline "Hamburg International". Die finanziell üppig ausgestattete EU-Agentur Frontex erwägt jedoch, ein eigenes Flugzeug anzuschaffen.
Die "Generalprobe" für solche solche Flüge fand bereits im Mai 2004 statt. Damals ist der Airport nachts in eine Polizeifestung verwandelt worden. Das Nachtflugverbot wurde aufgehoben, um gegen zwei Uhr mit einer KLM-Maschine acht Flüchtlinge aus vier Bundesländern von Fuhlsbüttel nach Amsterdam zu fliegen. Dort wurden weitere 36 Flüchtlinge aus fünf EU-Staaten an Bord genommen, um sie nach Togo und Kamerun abzuschieben. Seitdem gab es aus Hamburg mindestens sieben solcher Sammelabschiebungen in mehrere Länder Afrikas, für dieses Jahr sollen nach Informationen der taz weitere Flüge geplant sein.
"Sammelabschiebungen per Charterflugzeug sind besonders brutal", sagt Hagen Kopp vom Netzwerk "Kein Mensch ist illegal". Während ein Flüchtling bei einem Linienflug zumindest noch die Chance habe, der Abschiebung trotz Fesselungen und Begleitung von Bundespolizisten zu entgehen: Der Flüchtling könne sich massiv wehren und die Crew deshalb einen Transport ablehnen. Bei einem Charterflug dagegen sei er willfährigen Personen ausgesetzt.
Bis zu 150 Bundespolizisten sind dabei, wenn solch ein Sammelabschiebe-Charterflug mit 25 Flüchtlingen, einem Frontex-Beobachter sowie Mitarbeitern der jeweiligen Ausländerbehörden abhebt. "Die Flüchtlinge sind an Händen und Füssen gefesselt und werden gegen ihren Willen von einem Arzt mit einer Spritze ruhig gestellt", berichtet Aktivist Hagen.
Eine Sammelabschiebung kostet in der Regel 140.000 Euro, wovon die EU 70 Prozent ersattet. "Wenn ich die Maschine voll bekomme, kostet mich ein Abzuschiebender nur rund 1.000 Euro", erklärte jüngst ein Leitender Mitarbeiter der HamburgerAusländerbehörde. "Schon ab 20 Personen sinken die Pro-Kopf-Leistungen unter den Preis einer Linienabschiebung."
Die Kostenersparnis durch eine große Anzahl gemeinsam Abzuschiebender ist aber nicht der Hauptgrund für Sammelabschiebungen", sagt Conny Gunßer vom Hamburger Flüchtlingsrat. "Entscheidend ist, dass Widerstand so kaum möglich und jegliche Öffentlichkeit ausgeschlossen ist."
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