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ProtestPolizei lässt Nazis laufen

Tausende demonstrieren in Schöneweide gegen den Aufmarsch der NPD. Polizei verhindert Blockaden. Nazis laufen weitgehend von der Öffentlichkeit abgeschottet.

Tausende protestierten gegen die Nazis. Bild: dpa

Am Ende steht Nico Schmolke neben dem großen roten Truck, auf dem immer noch eine Ska-Band spielt, und ist unschlüssig. Gerade ist die NPD von ihrem Aufmarsch durch Schöneweide zum Bahnhof zurückgekehrt, unter den Pfiffen von Schmolke und Hunderten anderen.

Der 21-jährige Juso wohnt nicht weit von hier. Im letzten Jahr wurde der Briefkasten des engagierten Neonazigegners gesprengt, kurz vor dem 1. Mai wurden die Scheiben in seinem Juso-Büro in Schöneweide eingeworfen. „Der ganze Protest heute“, sagt er, „das ist schon ein Erfolg. Aber leider kein voller.“ Denn die NPD marschierte am 1. Mai eben doch – obwohl ein Großbündnis von autonom bis bürgerlich genau das mit Blockaden verhindern wollte.

Dabei beginnt der Tag für die Blockierer bestens. Schon um halb acht Uhr am Mittwoch früh lassen vier Männer eine Betonpyramide aus einem Transporter rutschen, verkeilen sich darin blitzschnell mit ihren Armen – mitten auf der Brückenstraße, auf der am Mittag die NPD marschieren will. Die überraschte Polizei schaut zu.

Von den Bahnhöfen Baumschulenweg und Karlshorst strömen wenig später Hunderte Blockierer nach Schöneweide, umlaufen im Sprint die erneut baffe Polizei. Am Mittag, als die ersten NPDler am Bahnhof Schöneweide eintreffen, haben die Gegendemonstranten – die Polizei spricht von 2.000, die Blockierer von 5.000 – bereits alle Seitenstraßen um das Aufmarschgebiet blockiert. Nur: Auf die NPD-Strecke selbst kommen sie nicht.

Denn die Polizei ist mit 3.000 Beamten ähnlich stark vor Ort. Polizeipräsident Klaus Kandt hatte die Aufmarschroute der Neonazis überraschend im Vorfeld bekannt gegeben. Jetzt haben seine Beamte alle Kreuzungen der nur zwei Kilometer langen Strecke mit Gittern abgesperrt, davor stehen Wasserwerfer. Zwischendrin verschaffen sich Kandt und Innensenator Frank Henkel (CDU), Letzterer locker in Lederjacke und Sneakern, einen Überblick und essen Schokobrownies. „Wenn alles so friedlich bleibt“, zeigt sich Henkel gelassen, „gibt es am Ende des Tages nur Gewinner.“

Als die gut 400 Rechtsextremen losmarschieren, viele im schwarzen Autonomenlook, kommt der Aufzug fast ohne Stopp durch. Einmal durch die Brückenstraße, vorbei an den rechten Szeneläden „Henker“ und „Hexogen“, eine kleine Schlaufe über die Spree und zurück. „Deutsches Geld für deutsche Aufgaben“, bellt NPD-Landeschef Sebastian Schmidtke, in Karohemd und Zimmermannshose, ins Mikro.

Von jeder Seitenstraße ertönen Pfiffe und „Nazis raus“-Rufe. Auch die Bundestagsabgeordneten Eva Högl (SPD) und Petra Pau (Linke) sowie Berlins Sozialsenatorin Dilek Kolat (SPD) sind unter den Protestierenden.

Den Aufmarsch aber stoppt das nicht. Mehrmals hält die Polizei Gegendemonstranten auch mit Pfefferspray auf Distanz, lässt Polizeihunde an der Leine zerren, einmal spritzt ein Wasserwerfer. 17 Protestierer werden verhaftet, auch zwei Neonazis. Nach fünf Stunden ist auch die Betonpyramide von der Straße geschafft, die Beamten riegeln Brücken über der Spree ab. Selbst Grünen-Veteran Christian Ströbele wird nicht mehr durchgelassen. „Das ist mir noch nie passiert“, schimpft er. „Alles ist friedlich, wir haben ein Recht zu blockieren.“

Auch vom Truck der Nazigegner kommt Kritik. „Nur durch die Polizei konnten die Nazis marschieren“, grollt ein Redner. Die Rechten treffen nach gut einer Stunde wieder am Bahnhof ein – nur 50 Meter von den Gegenprotestlern entfernt. Bianca Klose von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus spricht dagegen von einem Erfolg. Die Leute hätten „alles gegeben“, sich den Nazis in den Weg zu stellen, die NPD sei unter Ausschluss der Öffentlichkeit marschiert.

Und so wird Henkels Wort Erfüllung: nur Gewinner. Die NPD freut sich, marschiert zu sein. Die Polizei freut sich, Zusammenstöße verhindert zu haben. Und die Blockierer loben, dass so viele Protestler kamen.

Auch Juso Nico Schmolke ist jetzt zufrieden. „Dass es bei so einer kurzen Strecke schwierig wird, war klar“, sagt er. Aber: „Die Nazis sind auf dem Rückzug. Wohlfühlen ist für sie nicht mehr.“

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13 Kommentare

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  • AA
    Anita Afitna

    Nazis sind nicht einfach "Andersgesinnte", die mal eben eine Demo abhalten wollen. Nazis streben die vollständige Vernichtung von Demokratie und allen Menschen an, die ihnen nicht in ihre wahnhafte Weltsicht passen. Jeder Meter Raum, den wir daher den Nazis lassen, ist ein Meter weniger für die Demokratie. Überall, wo Nazis dominieren, leben Menschen in Angst. Ihre Grundrechte auf freie Meinungsäußerung, Versammlungsfreiheit, körperliche Unversehrtheit werden durch Drohungen und Gewalttaten massiv eingeschränkt. Das gilt natürlich auch für Nazipartei NPD.

     

    Exemplarisch:

     

    http://www.swr.de/report/presse/-/id=1197424/nid=1197424/did=9389986/4ino2u/index.html

     

    http://www.spiegel.de/politik/deutschland/debatte-ueber-npd-verbot-partei-der-schlaeger-a-815695.html

  • A
    as140

    Der 1. Mai ist aus historischen Gründen schon völlig unpassend, um gegen die Nazis zu demonstrieren. Die linken Demonstranten sind keine Demokraten. Das sieht man bereits daran, dass sie jede Demonstration Andersgesinnter blockieren. Wann hat die NPD ( nicht die NSDAP,das ist eine andere) jemals die Linken an einer Demo gehindert? Ich glaube nie. Wer demokratisch sein will, der hat angemeldete Demos zu akzeptieren. Wer das nicht tut, der muss sich auch nicht wundern, wenn seine Gegendemo legitim zerschlagen wird.

  • AA
    Anita Afitna

    „Zum Glück geht von Rechts keine Gefahr aus, Prost!“

     

    Puh, da können die Opfer des NSU, die anderen Todesopfer rechter Gewalt sowie die unzähligen Menschen, die tagtäglich in Deutschland von Rechten geschlagen, verfolgt, bedroht wurden und werden ja beruhigt sein …

  • B
    Bastian

    "In Schöneweide hatte die Polizei gegen einen Teil der Gegendemonstranten Pefferspray, Schlagstöcke und Wasserwerfer eingesetzt. Kandt verteidigte das damit, dass 300 vermummte Personen versucht hätten, hinter die Absperrungen zu gelangen. Sie seien aber nur beregnet worden. 'Es war kein harter Strahl`."

    http://www.taz.de/Bilanz-zum-1-Mai-in-Berlin/!115627/

     

    Ich hoffe, dass linksbürgerliche Parteien und Medien da ein wenig nachhaken, und danke der taz, dass sie mal den Knüppeleinsatz bei diesem Vorfall erwähnt, der bis dato unter den Teppich gekehr wurde.

     

    Spiegel und Co. sind einfach nur noch eklig. Während man die Gleisblockierer als "Bürger" bezeichnet, die Nazis aufgehalten haben, und dabei nicht erwähnt das jeder Einzelne die Personalien abgeben musste, werden Opfer von Polizeigewalt, die auch nichts anderes versucht haben als Nazis zu blockieren, auch noch beleidigt. Die Polizei wird von großen Teilen der Medien indirekt ohne Konjuntiv zitiert.

     

    Munter wird verbreitet, der Überwindeversuch an der Polizeiblockade wäre mit massiver Gewalt der Demonstranten einhergegangen, dann wird noch behhauptet man hätte "linke und Rechte voneinander [zu] trennen" müssen, obwohl an dieser Stelle die Nazis noch lange auf sich warten ließen. Sich gegenseitig widersprechende offizielle Statements der staatlichen Stellen werden munter weiterverbreitet.

     

     

    https://www.freitag.de/autoren/bastian84/revolutionaerer-1-mai-in-berlin-und-die-medien

     

    Da gibts auch mehr zu meiner Perspektive über diesen Vorfall.

  • HF
    Hanni Fenno

    An diesem Tag gab es vor allem nur auf einer Seite Gewinner, nämlich auf Seiten der Nazis. Ein Misserfolg hätte die bereits angeschlagene NPD weiter an die Frustrationsgrenze getrieben. So aber konnten sich die Nazis über eine ungestörte Demonstration freuen und werden bestimmt gerne wieder nach Berlin kommen.

     

    Das Blockadebündnis spricht, anders als hier angedeutet, von einer klaren Niederlage. Es wurden auch viel weniger Menschen mobilisiert, als noch beim Naziaufmarsch 2010 im Prenzlauer Berg.

     

    Zum Glück geht von Rechts keine Gefahr aus, Prost!

  • MK
    Michael Klein

    "von Namenloser:

     

    Seit wann ist denn die Polizei für die Genehmigungen von Demonstrationen zuständig? Wurden nicht Teilnehmer auf beiden Seiten festgenommen, zum einen die gewaltausübende Chaoten und auf der anderen Seite wegen zeigen verbotener Symbole? Die Überschrift ist an Demagogie kaum zu überbieten, oder ist es so gewollt?"

     

    So wie Sie Namenloser argumentierten auch die Grenzpolizisten an der Berliner Mauer, die auf Flüchtende geschossen hatten, wie die Mörder von Peter Fechter und Chris Guffroy!

  • FG
    Friedliches Gift

    Henkel offenbahrt ein interessante Auffassung von "Friedlichkeit". Sie umfasst offenbar, friedlich demonstrierenden Menschen JENSEITS der Strecke der Nazis aus nächster Nähe ohne Verankündigung Pfefferspray ins Gesicht zu sprühen (dies wurde von der Polizei mehrfach angewandt). Die Wahl der Mittel der Polizei war mal wieder völlig überzogen - so auch das Auffahren von Wasserwerfern ohne Not & ohne erkennbaren Grund (da neben der Strecke der Nazis). Wenn ein Land eine Zivilgesellschaft möchte, die sich gegen Neonazis & Rassisten wehrt, dann sollte sie dieser nicht mit roher Gewalt begegnen. Warum es erlaubt ist, ein Gift auf Demonstrationen einzusetzen, das in internationalen Konflikten verboten ist und das beim "privaten" Einsatz gegen Menschen als gefährliche Körperverletzung geahndet wird, ist unverständlich. In Berlin gehört es auf Demos mittlerweile scheinbar zu den gängigen Mitteln über die es sich nicht mehr lohnt, zu schreiben. Aufgabe der Presse sollte es aber sein, solch unverhältnismäßigen Einsatz von Gewalt anzuprangern.

  • H
    hans

    Wo ist die Polizei, wenn es darum geht linke Einrichtungen zu schützen? Ohne den teuren, überdimensionierten Polizeischutz für Rechte gäbe es nicht so viele Nazis.

  • N
    Neumi

    Die Polizei ist wieder schuld!!!??? Gehts noch. Die Demo war genehmigt.Leider!!!da ist Politik und Justiz gefragt!Egal ob links oder rechts,Extremisten haben alle eine an der Klatsche!!!Sie nehmen sich nichts,bei der ausübung von Gewalt!

  • AA
    Anita Afitna

    @ zombie1969

     

    Sie? Neutral?

     

    Jemand, der hier auf taz.de u. a. auch schon ein mal ein Verbot von SPD, Linkspartei und Grünen gefordert hat (http://www.taz.de/!c107086/) und den schon eine oberflächliche Suchanfrage als regelmäßigen PI-Kommentator outed?

     

    Guter Witz.

  • R
    Rechtstreu

    vgl. Versammlungsgesetz:

    § 21 Störung von Versammlungen und Aufzügen

    § 22 Beeinträchtigung und Bedrohung der Versammlungsleitung und Ordner

  • N
    Namenloser

    Seit wann ist denn die Polizei für die Genehmigungen von Demonstrationen zuständig? Wurden nicht Teilnehmer auf beiden Seiten festgenommen, zum einen die gewaltausübende Chaoten und auf der anderen Seite wegen zeigen verbotener Symbole? Die Überschrift ist an Demagogie kaum zu überbieten, oder ist es so gewollt?

  • Z
    zombie1969

    Linksextremisten demonstrieren gegen Rechtsradikale. Köstlich, für den neutralen Zuschauer.