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Protest in GöttingenBrandanschlag auf Ausländerbehörde

Der Protest gegen die Abschiebung von Roma ins Kosovo eskaliert. Am Wochenende zündeten Unbekannte in der Küche der Göttinger Ausländerbehörde einen Brandsatz.

In Göttingen wird gegen die Abschiebepraxis demonstriert, bis zum Freitag nur auf der Straße. Bild: dpa

GÖTTINGEN taz | Kurz vor neun Uhr knallte es am Freitag in der Ausländerbehörde des Landkreises Göttingen. Ein Mitarbeiter hatte Rauchentwicklung in der Teeküche entdeckt und eilte mit einem Feuerlöscher herbei. Von der Wucht des explodierenden Brandsatzes wurde er aus der Tür mehrere Meter gegen eine Wand im Flur geschleudert. Mit Verdacht auf ein Knalltrauma wurde er ins Krankenhaus eingeliefert, mittlerweile aber wieder entlassen. „Es hätten auch schwere Verletzungen entstehen können“, sagte Kripo-Chef Volker Warnecke zur taz.

Unbekannte hatten nach Polizeiangaben einen Brandsatz in der Küche platziert und entzündet. Die Polizei vermutet ein politisches Motiv: in der Nähe des Tatortes fanden die Beamten ein Flugblatt, auf dem ein Abschiebestopp gefordert wurde. „Wir haben zumindest den Verdacht, dass der oder die Täter aus dieser Motivation heraus die Straftat begangen haben dürften“, so Warnecke. „Das ist eine Brisanz und eine Eskalation, die ich so bislang aus Göttingen noch nicht kenne.“

Die Polizei hat ein Ermittlungsverfahren wegen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion und gefährlicher Körperverletzung eingeleitet. An den Ermittlungen sind auch LKA und BKA beteiligt. Die Kreisverwaltung und gefährdete Mitarbeiter stehen unter Polizeischutz.

In den vergangenen Wochen kam es in Göttingen zu mehreren bislang friedlichen Protesten gegen die drohende Abschiebung von Roma in das Kosovo. Erst am Mittwoch versuchten rund 100 Menschen erfolglos, die Abschiebung eines Roma durch eine Blockade des Amtsgerichtes zu verhindern. Zwei Wochen zuvor besetzten Protestierende ein Büro der Ausländerbehörde der Stadt Göttingen.

Bis zu 500 Menschen aus Stadt und Landkreis Göttingen seien von der Abschiebung bedroht, sagte der Intergrationspolitische Sprecher der Göttinger Grünen, Mehmet Tugcu. Die Bundesregierung hat mit dem Kosovo ein so genanntes Rücknahmeabkommen verabschiedet, demzufolge bislang geduldete Roma in das Kosovo abgeschoben werden sollen. Nach Angaben der Göttinger Flüchtlingsorganisation AK Asyl sei die Bedrohung in Göttingen derzeit für 64 Flüchtlinge akut.

Die Abschiebungen in das Kosovo sind umstritten. Roma hätten im Kosovo keine Lebensperspektive, heißt es in einer Mitteilung des AK Asyl. „Sie müssen in Lagern in Armut leben und sind immer wieder rassistischen Übergriffen ausgesetzt“, so die Organisation. Grünen-Politiker Tugcu sagte, wir schickten die Roma in ein Land, „in dem ihnen die wirtschaftliche Basis für einen Neuanfang weitgehend fehlt, in dem sie nach wie vor keine Heimat und keine sichere Zuflucht haben und in dem sie in vielen Landesteilen weiterhin als Angehörige ethnischer Minderheiten bedroht und verfolgt werden.“

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23 Kommentare

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  • I
    Ingo

    Weiss jemand ob die Abschiebemaschiene auch wirklich

    heute am Dienstag gestartet ist???

     

    Mann hört nichts mehr von der Presse,,,

     

    Maschine ist bestimmt nur halbvoll da ja viele der

    Leute mehrere Nachnamen besitzen ( trauriges deutschland)

  • I
    ich

    ähm, wie war das noch gleich mit Beweise sammelt die Polizei, das Urteil fällt ein Gericht? - wer die lokale Berichterstattung jenseits der Polizeimeldungen und des Tageblatts verfolgt wird feststellen, dass die Lage längst nciht so geklärt ist, wie sie bislang in die Welt posaunt wurde... von einer seriösen Zeitung hätte ich erwartet, dass sie vielleicht mal selbst recherchiert und nicht aus einer Polizeimeldung abschreibt...

  • O
    olf

    Die Menschen die behaupten das etwas passieren muß, sprich Zeichen setzen wie z.B. den Anschlag auf die Ausländerbehörde,"um etwas in Bewegung zu bekommen".........wo durchaus andere Menschen aufgrund einer hirnrissigen Tat am Arbeitsplatz ihr Leben lassen müssen und oder in großer Gefahr geraten hätte können.

    Meiner Meinung nach haben alle Zeichen ihre Grenzen, warum setzt man keine verbale Zeichen?, bildet sich, fängt Schreiben und lesen an, macht sich in der Politik seßhaft und fängt an etwas zu ändern..............alle die Gewalt veherrlichen sind für mich nur arme dumme Klugscheißerdie den Weg des geringsten Widerstandes gehen!!!!!

  • F
    Flo

    Leider stimmt es. Die ganzen friedlichen Proteste haben absolut nix gebracht. Wurden die von den verantwortlichen Stellen überhaupt wargenommen/ beachtet?

    Nunja das wurde bestimmt beachtet.^^

     

    Allerdings hätte man wirklich sicher gehen MÜSSEN das sich in der nähe niemand befindet der gefährdet werden könnte...

  • G
    Göttinger

    Das verwendete Foto zeigt übrigens die Conny-Gedenk-Demo vom 14.11.2009 in Göttingen. Auch wenn man mutmaßen kann, dass die auf dem Bild dargestellten Demonstranten in der Mehrheit gegen die gängige Abschiebepraxis sind, demonstrieren die Menschen auf dem Bild eindeutig aus einem anderen Grund.

    Wenigstens von der taz dürfte man doch wohl erwarten, dass so etwas kenntlich gemacht wird, zumindest durch den Zusatz "Symbolfoto".

  • DF
    Das freie Wort

    Was soll die Aufregeung?

    Der Anschlag wurde von Linken begangen, also das ist keine Gewalt sonder Zivilcourage...

  • B
    brigada

    Im Kosovo würd keine minderheit verfolgt. oder Diskriminiert.

    Was die Roma behaupten über denn Kosovo des stimmt überhaupt nicht. im kosovo würd Niemand verfolgt.

     

    Nach dem Ahtesari Plan sind dei Minderheiten geschütz und Gleichberechtigt genau wie die Kosovaren.

     

    Nach dem Kreig wurden die Kosovaren auch Abgeschoben.

    Und keinem Land habe so viel rechte die Minderheiten wie im Kosovo.

  • N
    Nordlich

    @ Henryk:

     

    Zitat von Dir: "Der Anschlag war eine notwendige und logische Konsequenz, die sehr zu begrüßen ist."

     

    Was wäre denn wenn jmd. völlig verkohlt wäre o.ä.? Dir müsste man mal richtig den

    Überleg mal! Körperverletzung notwendige Solidarität?? Da fällt mir nix mehr ein!!!

  • M
    magda

    konsequent friedlicher Protest gegen die herrschende Abschiebepraxis: den hat es in den letzten Jahren gegeben und?! was hat der gebracht? Menschen werden wie Verbrecher vehaftet, aus ihrem sozialen Umfeld gerissen und wer weiß wohin geschickt...Allerdings fände ich es mehr als begrüßenswert, wenn darauf geachtet wird, dass Dinge und keine Menschen von sich verschäfenden Protestformen betroffen wären!

     

    @ Ulli&andere: Und ja, es wäre total nett von den Sinti und Roma, wenn sie im Kosovo in einem Lager leben, täglich um ihr Leben fürchten, weil Rechtsextremisten sie töten könnten (ja, da ist es noh n bisschen anders als hier) und dann uns allen beweisen das die anzen Vorurteile nicht zutreffen...pfff!!!Wie wärs wenn sich die BefürworterInnen eine "Heim"kehr mal intensiv mit der Gesellschaftsstruktur im Kosovo auseinandersetzen würden?!

  • O
    Olga

    @Henryk:

     

    Ich nehme an, Du meinst die Kommentare, die hier zu lesen sind? Wenn ja, danke, dass Du das angesprochen hast! Ich finde es schon seit langem gruselig, welches Gedankengut sich hier Gehör verschafft und eben von der TAZ auch den Raum dafür bekommt. Ganz ernsthaft: Muss das sein? Warum lässt die TAZ es zu, dass hier Hinz und Kunz ihren oftmals rassistischen Mist ablassen können? Es geht mir nicht darum, nur eine Meinung zuzulassen, aber häufig sind die Kommentare so polemisch und diffamierend, dass ich sie bei Internetseiten wie "Politically Incorrect" erwarten würde, aber nicht hier. Von der TAZ würde ich mir wünschen, dass sie solchen Stimmen nicht auch noch eine Plattform gibt!!!

  • L
    Lars

    @no-violence:

    Falsch! Konsequent friedlicher Protest ändert gar nichts! Oder haben friedliche Demonstrationen bisher auch nur eine einzige Deportation verhindert? Nein.

  • H
    Henryk

    Nett, wie hier bei der TAZ ausländerfeindliche und völkisch-motivierte Ressentiments das Bild bestimmen.

    Könnt ihr Nazis nicht bei Altermedia euren "Kampf gegen links" austragen?

     

    Zum Thema: Der Anschlag war eine notwendige und logische Konsequenz, die sehr zu begrüßen ist. Solidarität muss halt praktisch werden.

  • N
    Nordlicht

    Diese Linken Spinner! Ticken die noch ganz richtig???

  • W
    wilfried

    wollten die nicht nur spielen - waren halt nicht gut gelaunt - oder?

    kleiner spass am rande,aber es wird langsam ernst

  • C
    Claudia

    Jetzt weiss man auch, warum die Regierung Geld für gegen den Linksextremismus bereitstellen will.

  • L
    Leidkultur

    Ich habe eine Bekannte, die auch immer bei solchen Aktionen mitmachte und Bleiberecht für alle und so was forderte...als ihr Kind in Kreuzberg vor der Einschulung stand, hat sie es auf eine Privatschule geschickt, weil in der zuständigen Grundschule "so viele Ausländer wären!" Ha, ha, ha, so sindse, unsere Gutmenschen.

  • N
    no-violence

    schade, ein kosequent friedlicher Protest würde tausend mal mehr bringen.

    dieser anschlag diffamiert wieder einmal alle friedlichen antirassistischen Aktionen

  • TG
    Thomas Gauss

    Na die Meldung passt ja hevorragend zur Meldung der letzten Woche, dass künftig (endlich) auch von Seiten der Bundesregierung Geld im Kampf gegen Linksextremismus bereit gestellt wird.

     

    Der Aufschrei eben jenes Lagers war ja wieder einmal mehr als erheiternd.

     

    Diese Tat zeigt mehr als deutlich, dass zwei Millionen Euro hierfür viel zu wenig sind und nur der Anfang sein kann für einen umfangreichen "Kampf gegen Links".

  • HK
    Hardy Klag

    Es ist zu befürchten, das dieser Anschlag erst der Anfang vor weiteren Anschlägen ist. Das gesellschaftliche Klima wird immer rauer und daher wird leider auch die Gewaltanwendung eine neue Dimension annehmen. Leider ist das so.

  • F
    Frank

    Wirtschaftliche Perspektiven haben diese Leute in Deutschland auch nicht. Außer der Plünderung der Sozialkassen, die eigentlich für Einheimische, die in Not geraten gedacht sind.

     

    Wer wundert sich eigentlich noch über ständig steigende Abgaben und sinkende Leistungen?

  • HK
    Hardy Klag

    Es wird mit Sicherheit leider noch mehr solche Anschläge geben. Das ist zu befürchten.

  • U
    Ulli

    Das Kosovo mag zwar kein angenehmer Ort zum Leben sein, das war Deutschland nach dem 2. Weltkrieg aber auch nicht. Ohne Arbeitskräfte, die das Kosovo wieder aufbauen, wird das Land eine Müllkippe bleiben.

     

    In dieser Situation haben Roma die einmalige Chance, ihr Land durch harte Arbeit wieder aufzubauen und Vorurteile, sie seien faule Verbrecher, zu wiederlegen. Deshalb befürworte ich die Rückführung von kosovarischen Familien in das Kosovo.

     

    Die USA schieben aus Haiti kommende Flüchtlinge konsequent ab, damit sie ihrem Heimatland durch ihre Arbeitskraft nutzen können. Vielleicht sollte dies Jahre nach dem Krieg auch für die Kosovo-Flüchtlinge gelten.

  • U
    Ulli

    Das Kosovo mag zwar kein angenehmer Ort zum Leben sein, das war Deutschland nach dem 2. Weltkrieg aber auch nicht. Ohne Arbeitskräfte, die das Kosovo wieder aufbauen, wird das Land eine Müllkippe bleiben.

     

    In dieser Situation haben Roma die einmalige Chance, ihr Land durch harte Arbeit wieder aufzubauen und Vorurteile, sie seien faule Verbrecher, zu wiederlegen. Deshalb befürworte ich die Rückführung von kosovarischen Familien in das Kosovo.

     

    Die USA schieben aus Haiti kommende Flüchtlinge konsequent ab, damit sie ihrem Heimatland durch ihre Arbeitskraft nutzen können. Vielleicht sollte dies Jahre nach dem Krieg auch für die Kosovo-Flüchtlinge gelten.