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Protest gegen FischereipolitikKrabbenfischer bleiben an Land

Die Kutter haben so viele Nordseegarnelen gefangen, dass die Gefrierhäuser voll sind. Nun soll eine Verknappung des Angebots die Preise stabilisieren.

Fühlen sich von der Politik verlassen: Krabbenkutter auf der Nordsee. Bild: dpa

HAMBURG taz | Weil es plötzlich Krabben im Überfluss gibt, sehen sich die Fischer an der Nordseeküste in ihrer Existenz bedroht. Wegen des Überangebots sind die Preise auf ein Niveau gesunken, das nicht einmal mehr die Kosten eines Kutters deckt. Deutsche und niederländische Erzeugerorganisationen haben deshalb am Osterwochenende einen Fangstopp beschlossen. Außerdem erwägen sie verschärfte Proteste, um ein Umdenken in der Fischereipolitik zu erreichen.

Der Verfall der Krabbenpreise ist im vergangenen Jahrzehnt immer wieder Thema gewesen. Wiederholt einigten sich die organisierten Fischer auf Fangstopps, um mit dem Großhandel konkurrieren zu können. In dieser Saison scheint die Lage jedoch besonders dramatisch zu sein.

"Im langfristigen Mittel sind im Frühjahr 25 Kilogramm pro Stunde gefangen worden", sagt Philipp Oberdörffer, Berater bei der niedersächsischen Landwirtschaftskammer. In diesem Jahr seien es 50 bis 60 Kilogramm.

Meeresfrüchte

Die Krabbenfischerei erwirtschaftet nach Angaben des WWF jährlich 70 bis 80 Millionen Euro.

Die Nordseegarnele, auch Krabbe oder Granat genannt, kann neun Zentimeter lang werden. Die Weibchen laichen im Januar / Februar und im Juli / August. Nach dem Fang werden sie zur Konservierung gekocht. Dabei färben sich die grauen Tiere rot.

Die Fischer sind zum größten Teil in Erzeugergemeinschaften organisiert. Die Fangflotte wird auf 550 Fahrzeuge geschätzt. Der weitaus größte Teil davon stammt auch den Niederlanden und Deutschland.

Die Preise lagen zuletzt bei 1,57 Euro pro Kilo, Tendenz sinkend. Um mit Gewinn wirtschaften zu können, fordern die Fischer drei Euro.

In ungewöhnlich warmem Seewasser seien die Nordseegarnelen sehr schnell zur Fanggröße herangewachsen, so dass mehr Generationen als sonst befischt werden konnten. Wie Oberdörffer berichtet, wären große Boote auch den Winter über auf Fang gefahren und hätten die Kühlhäuser gefüllt. Erst wenn diese Mengen verkauft seien, werde der Druck auf die Preise nachlassen.

Roger Alts von der Erzeugerorganisation Norddeich glaubt, dass der Fangstopp möglicherweise nicht reichen wird. "Wir stehen mit dem Rücken zur Wand", sagt er. Die Fischer erhielten zurzeit nur 1,57 Euro pro Kilo Garnele. Das liegt unter dem Selbstkostenpreis von rund 2,50 Euro. Die Fischer halten drei Euro für notwendig.

Gestiegene Treibstoffkosten verschärften die Lage, klagen die Fischer. Dazu kämen teure Nachrüstungen beim Funk oder der Feuerlöschtechnik. Alts zufolge steht ein Drittel der Flotte vor der Pleite. Weil Proteste alleine bisher nichts genützt hätten, erwögen die Fischer jetzt ein schärferes Vorgehen wie die Blockade der Seehäfen.

Die deutschen Küstenfischer sind überwiegend als Familienbetriebe organisiert, die kleine, etwas ältere Kutter betreiben. Sie haben schon Schwierigkeiten, mit den etwas längeren Eurokuttern mitzuhalten, erst recht aber mit den Fischereischiffen, die im vergangenen Winter auf Krabbenfang gegangen sind. Wegen des Preisverfalls bei Schollen stellten auch Boote, die eigentlich für den Fang von Plattfischen gebaut wurden, den Garnelen nach - und zwar die ganze Saison über.

Die größeren Schiffe erlaubten ein effizienteres Wirtschaften, sagt Landwirtschaftskammer-Berater Oberdörffer. Allerdings müsse sich die Politik fragen, was ihr die Familienbetriebe wert seien.

Aus betriebswirtschaftlicher Sicht könne es zwar sinnvoll sein, großen Schiffen den Vorzug zu geben. "Das trägt aber nicht dazu bei, dass wir eine lebendige Küste behalten", warnt Oberdörffer. Nur die Kutter passten in die Sielhäfen und hielten diese am Leben. Von den Häfen wiederum profitiere der Tourismus.

Die Fischer fordern konkrete Hilfen von den Landesregierungen und vom Bund. Nur so lasse sich die kleinteilig organisierte Fischerei erhalten. Berater Oberdörffer schlägt eine Abwrackprämie vor, um die Flotte zu verkleinern.

Außerdem regt er an, die Erzeugergemeinschaften der Fischer zu stärken: Von ihnen beschlossene Fangstopps sollten auch für Nicht-Mitglieder verbindlich werden.

Etwas weniger Krabbenfischerei wäre ganz im Sinne der Umweltstiftung WWF. Diese hat vor zwei Jahren eine Studie veröffentlich, nach der die Krabbenfischerei der Meeresumwelt schadet.

Für jedes Kilo Krabben lande die neunfache Menge an Beifang im Netz: Schollen, Seezungen, Wittlinge und Kabeljau - Fische, die wieder über Bord geworfen werden und diese Prozedur meistens nicht überleben. Bessere Netze, das Schließen von Fanggründen könnten helfen - und eine Verkleinerung der Flotte.

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1 Kommentar

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  • G
    goecktan

    Auf Dauer werden wir um einen Paradigmenwechsel in der Fischerei nicht drumherumkommen. Mit dem heutigen Stand der Technik sind die meisten Bestände überfordert, gleichzeitig sind viele Flotten nur noch durch Subventionen zu halten. Was spricht denn dagegen, per Gesetz die Größe der Kutter, die Maschinenleistung etc. weiter zu beschränken? Ganz gezielt könnten Familienbetriebe und die Küstenfischerei gefördert werden. Die Winterfischerei könnte geschlossen und die absoluten Fangmengen je Erzeugerorganisation gedeckelt werden, gleichzeitig könnten die Organisationen verbindliche Fangstopps bei Niedrigpreisen verhängen. In allen anderen Bereichen darf mit dem Verweis auf Arbeitsplätze beliebig eingegriffen werden, warum dann nicht hier? Das Ziel müßte sein, mit möglichst wenig technischen Aufwand und Fischereidruck möglichst viele Familien zu ernähren; dies wird auf Dauer nur über sinkende Fangmengen und steigende Preise möglich sein. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen müssen von der Poltitik kommen; diese hat bisher die Selbstorganisation der Fischerei nicht unterstützt, stattdessen zu steigenden Fangmengen bei sinkender Beschäftigtenanzahl und Fischpreisen geführt.