Protest gegen AfD-Lehrerportal wächst: Berliner Schulen zeigen sich selbst an
LehrerInnen einer Kreuzberger Grundschule wehren sich gegen „Lehrerpranger“. Derweil gibt es Streit über eine Unterschriftenaktion gegen die AfD.
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In den Schulen wächst der Protest gegen das sogenannte „Lehrerportal“ der AfD: Mit der Kreuzberger Charlotte-Salomon-Grundschule zeigte sich Ende vergangener Woche die zweite Schule in einem Offenen Brief an die Berliner AfD-Fraktion selbst an. „Wir legen großen Wert darauf, auf dieser Liste zu stehen, denn wir werden auch in Zukunft dafür Sorge tragen, dass Schüler*innen befähigt werden, sich über den Charakter Ihrer Partei ein Bild zu machen“, schreiben PädagogInnen der Schule in dem Brief, der auf der Facebook-Seite der Lehrergewerkschaft GEW Friedrichshain-Kreuzberg veröffentlicht wurde.
„Im Einklang mit dem Berliner Schulgesetz“ werde man sich, selbstverständlich auch im Unterricht, weiterhin mit rassistischen oder demokratiefeindlichen Äußerungen von AfD-Abgeordneten auseinander setzen, heißt es in dem Brief weiter. Denn: „Aus der Geschichte wissen wir, dass das, was mit Denunziation und Einschüchterung beginnt, mit der Inhaftierung von Andersdenkenden in Lagern endet.“
Einen ähnlichen Brief hatte zum Start des AfD-Portals „Neutrale Schule“ Ende Oktober bereits das Kollegium der Kreuzberger Lina-Morgenstern-Gemeinschaftschule an die AfD gerichtet. Auch zwei Lehrer des Charlottenburger Heinz-Berggruen-Gymnasiums „gestanden“ per „Selbstanzeige“ auf der Website der Lehrerinitiative „Bildet Berlin!“, „die Zeit des Nationalsozialismus nicht als kleinen ‚Vogelschiss‘ behandelt“ zu haben.
Zu Beginn der Herbstferien hatte die Berliner AfD-Fraktion auf ihrer Website ein Formular freigeschaltet, auf der Eltern und SchülerInnen melden können, wenn sich LehrerInnen im Unterricht kritisch über die Rechtspopulisten äußern. Ähnliche Meldeportale der AfD gibt es auch in Brandenburg und Hamburg. Laut des Berliner AfD-Fraktionssprecher Thorsten Elsholtz habe man in den ersten zwei Wochen über 5.000 Meldungen gezählt, der überwiegende Teil sei „kein Spam“ gewesen.
Die Verunsicherung unter den LehrerInnen war zunächst groß, auch in der taz meldeten sich einige von ihnen besorgt zu Wort: Man wisse zwar, dass die AfD einem rechtlich nicht den Mund verbieten könne. Allerdings habe man Sorge, dass die AfD „schwarze Listen“ mit missliebigen LehrerInnen anlegte.
Datenschutzbeauftragte hält sich raus
Berlins Datenschutzbeauftragte Maja Smoltczyk hingegen wiederholte am Wochenende, sie sehe ihre Behörde als nicht zuständig an: Fraktionen sein bei der „Wahrnehmung parlamentarischer Aufgaben“ vom Berliner Datenschutzgesetz ausgenommen und dürften also Personendaten verarbeiten. Der taz hatte sie zuvor gesagt, die AfD-Aktion sei „ein Beispiel dafür, wie wichtig es ist, dass das Berliner Parlament sich eigene Datenschutzregeln gibt.“
Inzwischen scheint die Wut über den Denunziationsversuch von rechts in den Kollegien die Oberhand zu gewinnen. „Bildet Berlin!“ sammelt derzeit in den Kollegien berlinweit Unterschriften für den Offenen Brief der beiden Charlottenburger Lehrer, die man dann der AfD übergeben will. Allerdings wird nun darüber diskutiert, ob die Schulen das überhaupt dürfen: Ein Schulleiter aus Tempelhof-Schöneberg untersagte die Unterschriftensammlung im Lehrerzimmer als unzulässige politische Betätigung – und die Bildungsverwaltung sprang ihm vergangene Woche unter Verweis auf die Verwaltungsvorschrift Werbung bei.
Diese erlaubt allerdings ausdrücklich das Unterschriften sammeln für gewerkschaftliches Engagement, wie auch GEW-Landeschef Tom Erdmann am Sonntag betont – und das sei hier schließlich gegeben: „Hier geht es um die Belange der Beschäftigten, die wegen ihrer Bekenntnisse für die Demokratie und gegen Rassismus beruflich ausgegrenzt werden sollen.“
Eine solche „gewerkschaftliche Betätigung“ von Initiativen sei verfassungsrechtlich geschützt und könne auch durch Verwaltungsvorschriften nicht aufgeweicht werden. „Da hätten wir uns gewünscht, dass die Bildungsverwaltung den Kollegien bei der Auslegung dieser Verwaltungsvorschrift eher den Rücken stärkt.“
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