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Prostitution, Erwerbszweig wie jeder andere –betr.: „Die Männer mit den Strichlisten“, taz vom 6. 3. 99

Unsere Kolleginnen kochen vor Wut. Wie kommt die ehemals „linke Tageszeitung“ dazu, anläßlich eines Prozesses gegen Frauenhändler eine ganze Branche mit geschätzten 8 bis 10.000 Mitarbeiterinnen allein in Berlin, derart zu diffamieren? Vergleichbar ist der Gesamteindruck des Artikel mit der Aussage, der „Großteil“ der in Berlin angebotenen Gebraucht-Automobile sei Diebesgut und die gesamte Branche sei durch und durch kriminell.

Zunächst ist festzustellen, daß weder die Ausübung der Prostituion noch der Besuch des Freiers bei einer Prostituierten „verboten“ oder sonst irgendwie rechtswidrig ist; der einzige Unterschied zwischen einer sexuellen Dienstleistung und einer beliebigen anderen ist der, daß das Bezahlen resp. das In-Rechnung-Stellen des Dienstes laut Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ein „sittenwidriger“ Geschäftsabschluß sei – was die Finanzbehörden aber nicht davon abhält, Prostituierte zur Einkommensteuer zu veranlagen.

Nach unserer Auffassung ist die Prostitution ein Erwerbszweig wie jeder andere, in dem auch die überwiegende Mehrzahl der Frauen freiwillig und unter vergleichbaren Arbeitsbedingungen wie in anderen Branchen arbeiten – daß in einem Puff „Strichlisten“ über die Anzahl der Zimmer geführt werden, ist wohl selbstverständlich; die Rechtslage verbietet den Einsatz von Registrierkassen. Was die Beschäftigung von Mitarbeiterinnen mit ausländischen Pässen und/oder ohne Aufenthaltsgenehmigung betrifft, unterscheidet das Prostitutionsgewerbe sich ebenfalls nur marginal von anderen Branchen, gerade sowet, daß „Arbeitgeber“ hier sowieso keine Sozialabgaben abführen dürfen, denn das wäre strafbare „Förderung der Prostitution“ oder „Zuhälterei“. Kurtisane, Autonomes Huren-Netzwerk

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