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Prophet Mohammed als einfühlsamer MannMachtkämpfe im Harem

Der umstrittene Aisha-Roman von Sherry Jones ist nun auf Deutsch erschienen: Die englische Ausgabe war nach massiven Drohungen von Random House zurückgezogen worden.

Zauber des Orients: Bauch-und Schleiertanz. Bild: dpa

Ein ausgeprägtes Interesse am Islam zu zeigen, bringt für Nichtmuslime häufig Komplikationen mit sich. Vor allem dann, wenn sich die Aufmerksamkeit auf die Schwäche des Propheten für das weibliche Geschlecht richtet. Neun Frauen und vier Konkubinen hatte Mohammed laut der Überlieferung. Seine dritte und jüngste Frau, Aisha bint Abi Bakr (613-678), wurde im Alter von sechs oder sieben Jahren mit dem über 50-jährigen Propheten verlobt und drei Jahre später verheiratet.

Diese Ehe ist das Thema des historischen Romans "Aisha. Das Juwel von Medina" der US-amerikanischen Journalistin Sherry Jones. Random-House-Ableger Ballantine wollte das Buch ursprünglich im August in Nordamerika und Großbritannien herausbringen, kündigte den Vertrag jedoch, nachdem eine Professorin für islamische Geschichte von der University of Texas Alarm geschlagen hatte: Der Roman sei ein "sehr hässliches, dummes Werk" und fordere gewalttätige Reaktionen heraus.

Eine Welle von aufgeregten E-Mails und Blogeinträgen von Islamwissenschaftlern folgte, in England gab es sogar einen Brandanschlag auf das Haus des britischen Verlegers - noch bevor der Roman überhaupt in den Buchhandlungen auslag. Mittlerweile ist er in mehreren Ländern erschienen, in Deutschland vor einigen Tagen beim Pendo Verlag, und die Leser können sich endlich selbst ein Bild machen von einem Werk, dessen Verfasserin eigentlich ein ganz anderes Ziel hatte, als eine Kontroverse auszulösen.

"Ich wollte Aisha, deren Geschichte im Westen ja nicht sehr bekannt ist, einem breiten Publikum vorstellen", sagt Sherry Jones in einem telefonischen Interview. Kurz nach dem Beginn des Afghanistankrieges habe sie 2002 mehrere Bücher über Frauen im Nahen Osten gelesen und sei fasziniert gewesen von "diesem Mädchen, das zu einer sehr selbstbewussten Frau wurde".

Die Handlung des Romans rankt sich um bekannte Legenden aus dem Leben des Propheten. Er ist eine unterhaltsame Einführung in eine Religion, deren Riten, Überzeugungen und Geschichten im Westen allzu wenig bekannt sind. Wie dies bei historischen Romanen üblich ist, schmückt Jones Episoden aus und erfindet Details hinzu. Zudem lässt sie Aisha bei Ereignissen anwesend sein, die diese womöglich nicht miterlebt hat, und erlaubt sich einige Anachronismen: "Als Schriftstellerin gilt meine erste Verpflichtung dem Leser, nicht den Quellen, die zudem oft gar keine Hintergründe von Handlungen liefern."

Jones Kritikerin Denise Spellberg, mit dem Genre des historischen Romans offenbar nicht vertraut, bemängelte dieses Verfahren. In einem Leserbrief an das Wall Street Journal forderte sie, dass eine Literatur, die "die Zivilisation voranbringen will", die Geschichte richtig darstellen solle. Doch wer weiß schon genau, wie Aisha über ihre Hochzeit dachte?

Im "Juwel von Medina" sehnt sie sich nach ihrer Freiheit zurück. Ihre Gedanken sind bisweilen arg frühreif für ein Kind; die reichlich eingestreuten Metaphern wirken in der deutschen Übersetzung noch ungelenker als im Original. So formuliert Aisha schon als Sechsjährige ihre Zukunftswünsche in blumigen Worten: "Lieber wäre ich eine einsame Löwin, die in Freiheit brüllte, als ein Vogel in einem Käfig ohne eigenen Namen." Die Machtkämpfe im Harem sind plausibel beschrieben, doch die Charakterzeichnung der anderen Frauen bleibt recht blass.

Aishas Furcht vor dem körperlichen Vollzug der Ehe wird thematisiert, explizite Sexszenen allerdings gibt es nicht, und von einem "Softporno", wie es in einigen Berichten hieß, kann keine Rede sein. Vielmehr ist gerade der Facettenreichtum, in dem die Beziehung zwischen dem Propheten und der viel jüngeren Aisha geschildert wird, eine Stärke des Romans. Mohammed erscheint als einfühlsamer, fortschrittlich denkender Mann.

Doch Jones schlägt sich weder auf die Seite der britischen Religionswissenschaftlerin Karen Armstrong und anderer Forscher, die die Verlobung des Propheten mit dem sechsjährigen Kind als damals gängige Praxis verteidigen, noch auf die Gegenseite von Islamkritikern wie Ibn Warraq ("Warum ich kein Muslim bin", Matthes & Seitz, Berlin) oder Ayaan Hirsi Ali. Die niederländische Politikerin bezeichnete Mohammed als "perversen Mann".

Seit dem Erscheinen des Buches sei die Diskussion sachlicher geworden, sagt die Autorin: "Viele Muslime, die den Roman gelesen haben, sind allerdings nicht glücklich mit meiner Interpretation und kritisieren die Freiheiten, die ich mir genommen habe." Doch schon das Entstehen einer solchen Auseinandersetzung ist ein Verdienst dieses mutigen Buches.

Sherry Jones: "Aisha. Das Juwel von Medina". Pendo Verlag 2008, 448 Seiten, 19,95 €

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5 Kommentare

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  • SM
    Sehrish Mubarik

    Betreff: "Machtkämpfe im Harem"

     

    Sehr geehrte Damen und Herren

    Als ich die Einführung dieses Buches gelesen habe, war ich sehr

    entsetzt, denn das dort geschilderte Leben von Ayisha (Friede seiauf ihr) entspricht nicht mal annähend der Wahrheit und das Leben

    des Heiligen Propheten Muhammad (Friede und Segnungen Allah seien auf Ihm) auch nicht. Vorallem nichts

    von dem was erzählt wird ist bewiesen worden von der Autorin. Ich

    glaube Frau Sherry Jones hat sich tatsächlich falsch oder sogar

    gar nicht informiert und hat aus eigener Fantasie das Buch

    geschrieben. Ich find es überhaupt nicht "mutig", wie im Artikel

    erwähnt, ca. 1 Milliarde Muslime zu verletzen, um damit seine

    Sensationsgier zu erfüllen und Profit zu machen. Im Islam sind Mann

    und Frau gleichwertig (unter anderem Sure:2 Vers 188).Wie ist es

    möglich, dass der Heilige Prophet Muhammad (Friede sei auf ihm)

    sich als Prophet nicht an die Lehren des Islams hält. Meiner Meinung

    nach sollte man sich erst informieren bevor man ein Buch schreibt.

    Die Leser können sich keine Meinung oder nur eine falsche Meinung

    bilden, wenn diese sehr negative und falsche Seite des Islams

    gezeigt wird. Dies kann sehr große Folgen haben und nur noch

    Vorurteile stärken, denen man sich als Autor bewusst sein sollte.

     

    Mit freundlichen Grüßen

    Sehrish Mubarik

  • E
    Edeela

    Welche Absicht hatte die Autorin Sherry Jones einen kaum auf der Wahrheit beruhenden Text zusammenzudichten und den Religionsgründer zu diffamieren? Der ganze Roman ist eine einzige Behauptung, dass eine angeblich naive und zurückgebliebene muslimische Gesellschaft nur nach Begierde, Sexualität und weltliche Macht bestrebt war.

    Es ist zur danmaligen Zeit grundsätzlich nicht ungewöhnlich gewesen, dass Aisha so jung heiratete, berücksichtigt man die kulturellen Unterschiede vor 14 Jahrhunderten in allen Teilen der Welt, in denen sehr früh geheiratet wurde und dass das durchschnittliche Sterbealter viel niedriger war. Noch im 18. Jahrhundert waren Ehen von 14.-jährigen Bauertöchtern in Sachsen keine Seltenheit. Wir dürfen also unsere heutigen Maßstäbe nicht für vergangene Epochen anwenden. Aus zahlreichen Überlieferungen geht hervor, dass der Heilige Prophet Muhammad erst nach Eintreten ihrer Pubertät die Ehe mir Aisha vollzog. Das Aisha von ihren Eltern zu dieser Ehe gezwungen worden sei oder gar dem Propheten Untreu war, sind absurde Vorstellungen, die in keinster Weise mit der genau überlieferten Realität übereinstimmen.

     

    Weiterhin ist es eine wohl bekannte Tatsache, dass der Prophet 25 Jahre lang in Monogamie mit seiner ersten Frau Khadija verheiratet war. Er hatte sie, die 15 Jahre älter war als er, im Alter von 25 Jahren geheiratet. Weder vor, noch während oder nach dieser Ehe hat er sich erwiesenermaßen irgendwelchen sexuellen Ausschweifungen hingegeben,) im Gegensatz zu den damaligen Arabern, die das zu ihrem Alltag zählten.

    Sexuelle Reinheit war sein Gebot, schon bevor ihm der Heilige Koran offenbart wurde. Eine unsinnige Behauptung, dass einem Mann, dessen Leben überwiegend dem Gebet und Gottesdienst sowie einer Belehrung der Gesellschaft geweiht war, der seine körperlichen Bedürfnisse in jeder Hinsicht auf ein Mindestmaß beschränkte zuzuschreiben, dass er seine Gedanken und Kräfte für sexuelle Erfüllungen verschwendet haben sollte. Vielmehr hat Aisha durch ihre Heirat in jungen Jahren den Propheten kennen und lieben gelernt. Und wurde von Allah dazu bestimmt, die berühmteste Theologin nicht nur ihrer Zeit zu werden.

  • S
    Samra

    es ist offensichtlich, dass muslimische Leser sehr von diesem Roman gekränkt worden sind. Auch wenn die Autorin etwas anderes behauptet. Aber so weltfremd sollte sie nicht sein, ihren Roman als eine Plattform für einen Dialog zu titulieren. Beim Studium dieses Buches kommt klar zum Vorschein, dass nur frei erfundene Geschichten mit Tendenz zum Sexuellem und Rigorosem darin enthalten sind. Zudem steckt keine Logik dahinter. Einige Sachen hat sie nicht richtig interpretiert, wohl möglich deshalb weil es ihre gewünschte Story vollkommen ändern würde. An vielen Stellen hat sie zudem geschichtlichen Hintergrund weggelassen, was jedoch zum Verständnis der damaligen Zeit sehr wichtig ist.

     

    Im Folgenden werde ich zu einigen Themen Stellung nehmen. Zu allererst ist klarzustellen, dass die Ehefrau des Heiligen Propheten (Friede sei auf ihm), Aisha (möge Allah Gefallen an ihr haben) niemals zur Ehe gezwungen wurde, denn dies wäre auch sehr unislamisch. Zwangsheirat ist im Islam streng verboten. Nach einer Überlieferung des Heiligen Propheten Muhammad (Friede sei auf ihm), löste er eine Ehe auf, nachdem ihm bekannt wurde, dass die Frau zwangsverheiratet wurde. Eine gezwungene Eheschließung ist demnach im Islam ungültig (Bukhari 5138 und ibn Majah, book of marriage). Einer anderen Überlieferung zufolge heißt es „Eine verwitwete Frau darf nicht verheiratet werden, bis sie ihre Erlaubnis dazu gegeben hat.“(Ibne Majah)

    Jedoch ist hier anzumerken, dass die Ehe zwischen Aisha (möge Allah Gefallen an ihr haben) und dem Heiligen Propheten Muhammad (Friede sei auf ihnen) eine arrangierte Ehe war. Der Islam plädiert für arrangierte Ehen, da es im Islam ein System der Verschleierung gibt, das davor schützen soll, dass man nur aufgrund äußerlicher Reize in ein Verliebt-Sein verfällt, das mit großer Wahrscheinlichkeit keine Dauer hat und kurzfristiger, oberflächiger Natur ist. Arrangierte Ehen, wobei stets anzumerken ist, dass hier die Zustimmung beider zukünftiger Ehepartner vorliegen muss, sind sehr erfolgreich. In Indien werden 95 % der Ehen arrangiert, auch unter Gruppen der Shiks, Hindus und sogar Christen. Scheidung ist im Islam zwar legal, aber die Scheidungsrate liegt bei unter 1 %. Eine Studie belegt, dass die Liebe in arrangierten Ehen klein anfange und im Laufe der Zeit zunehme, weil die Ehe unter vernünftigen Aspekten geschlossen wird. Die Studie zeigt auch, dass Liebe in arrangierten Ehen die Liebe in romantischen Ehen schließlich überhole.

     

    In diesem Buch wird auch fälschlicherweise behauptet, dass der Prophet keinen Respekt seinen Ehefrauen gegenüber gehabt habe, auch wird gesagt, er habe nur aus Begierde geheiratet. Es ist krankhaft über einen Religionsstifter, der großen Respekt verdient, genauso wie auch alle anderen Propheten, wie Jesus, Buddha, u.s.w. solche Dinge zu behaupten. Denn in Wirklichkeit heiratete er seine Ehefrauen, um die Erziehung der muslimischen Frauen vorzubereiten (Sure 33: 29-30, 33-35). Er musste sein neues Gesetz, dass er als gesetzbringender Prophet brachte, den Frauen lehren. Frauen hielten sich eher zurück im häuslichen Bereich. Er heiratete fromme Frauen, die dann für die Erziehung der muslimischen Frauen zuständig waren, aber davon wird im Roman von Sherry Jones nichts gesagt. Wichtig ist auch, dass Aisha (möge Allah Gefallen an ihr haben) erst fünf Jahre später, im Alter von 13 Jahren geheiratet hat (sich vom Elternhaus verabschiedete). Es muss hier angemerkt werden, dass dieses Alter zu der damaligen Zeit heute im Vergleich in westlichen Ländern dem Alter von 17 bis 19 Jahren entspricht. Gemäß den Überlieferungen hatte sie in diesem Alter bereits ihre volle Geschlechtsreife erlangt. Und Heiraten in diesem Alter waren damals Gang und gäbe, also kein Einzelfall wie es Sherry Jones wissen lassen möchte.

     

    Gemäß zahlreichen Überlieferungen schenkte der Prophet Ehefrauen großen Respekt. So heißt es: „Der Beste unter euch ist der, der seine Frau am besten behandelt.“ Über den Rang einer rechtschaffenen Mutter sagte er auch: „Das Paradies liegt unter den Füßen der Mutter“.

     

    Mit freundlichem Gruß

  • IZ
    Inge Zimmert

    Bei allem Respekt vor der Verehrung der Religionsgründer, darf man eins nicht vergessen, alle waren sie auch Männer, und zu einer Zeit geboren, wo der Mann die Autorität war.

    Mir war noch nie klar, warum man bei der Person Mohammed, Jesus oder Budda die ganz normalen kleinen menschlichen Schwächen versucht totzuschweigen. Gerade Menschen, die ich liebe, kritisiere ich. Dies hat nichts damit zu tun, das ich diesen Menschen trotzdem schätze. Warum tun sich manche Muslime so schwer damit?

    Die Zeiten haben sich geändert, dies sollte man bei der Kritik auch immer beachten. Auch wir in Europa haben vor zweihundert Jahren anders gelebt wie heute, und in der Weltgeschichte, sind zweihundert Jahre so wie zwei Sekunden.

  • SS
    Simon Shire

    Nachdem ich die Debatte in Übersee um das Buch verfolgt habe, hat mich diese Besprechung nun doch noch dazu gebracht, Jones' Buch tatsächlich zu lesen. Ausgewogene Urteile wie dieses sind bei solchen Büchern heutzutage so wichtig wie selten.

     

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