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Propaganda und die tazAls die Stasi uns benutzte

Drei Spitzel arbeiteten bei der taz – trotzdem blieb sie für die Stasi unberechenbar. Außer einmal. Wie die Stasi die taz dazu brachte, die These vom CIA-erfundenen Aids-Virus zu verbreiten.

Stasi-Vergangenheit auf vielen Regalmetern in der Birthler-Behörde. Bild: ap

An den ersten Hinweis erinnert er sich noch gut. Der kam von Joachim Nölte, im DDR-Außenministerium für die Beziehungen zur ausländischen Presse zuständig, auch für die taz. Arno Widmann, damals Kulturredakteur der taz, weiß noch heute: „Der sagte uns eher nebenbei, der Stefan Heym laufe überall herum und erzählte allen, er habe eine Bombengeschichte über Aids. Und dass man dem keinen Glauben schenken solle.“

Tatsächlich kam Widmann, heute Feuilletonchef der Frankfurter Rundschau, doch noch mit Heyms Saga in Berührung – möglicherweise, so genau wisse er es nicht mehr, wurde der Kontakt durch den Schriftsteller Klaus Schlesinger gestiftet. Widmann fuhr zu Heym nach Grünau, Wohnviertel der Besseren in der Hauptstadt der DDR.

Widmann, wissend, darauf wies ihn der DDR-Außenministeriums-Mann hin, dass Heym seine Story etlichen Medienvertretern zum Abdruck angeboten hatte, war nicht zimperlich. Mit bestem journalistischem Gespür kalkulierte er kühl: „Es ist besser, einen Heym im Original im Blatt zu haben als keinen Heym.“

Die taz existierte eben erst sechs Jahre, versehen mit dem Flair des Anarchischen und Besonderen – allerdings noch nicht mit dem Ruf, das Blatt prominenter Stimmen zu sein. Einen Text Stefan Heyms publizieren zu können war höchst verlockend – der Autor, der in jenen Tagen gerade an seinen Memoiren unter dem Titel „Nachruf“ saß, der alte Antifaschist, der die Kapitulation Hitlerdeutschlands in Diensten des US-Militärs betrieben hatte, stets in der DDR blieb und durch seinen astreinen Kampfleumund für die DDR-Nomenklatur zum Unantastbaren geworden war.

Was Widmann nicht wusste: Joachim Nölte aus dem DDR-Außenministerium war Offizier der Stasi im besonderen Einsatz. Und was Widmann ebenfalls nicht wissen konnte, war, dass das, was Heym anzubieten hatte, ein wichtiges Mosaiksteinchen in einer Art globaler Verschwörung sowjetischer und DDR-Geheimdienstkreise war. Auf höchster Ebene hatten sich 1986 der sowjetische Geheimdienst und das Ministerium für Staatssicherheit auf eine Desinformation besonderer Art verständigt.

Ziel war, die Version von der Laborhavarie US-amerikanischer Militärforscher, die zur Entstehung von HIV geführt habe, global zu lancieren – das Image der USA musste beschädigt werden, um der Reaganschen Aufrüstungspolitik, der sich der sozialistische Block ökonomisch nicht mehr gewachsen sah, ein moralisches Pfund entgegenzusetzen. So berichtet es Günter Bohnsack, der damals als Oberstleutnant in Markus Wolfs „Hauptverwaltung Aufklärung“ das Referat 7 Wirtschaft und Handel leitete.

Bild: taz

Diese Geschichte ist in der sonntaz erschienen. Die Wochenendbeilage erscheint jeden Sonnabend und ist gemeinsam mit der taz am Kiosk erhältlich.

Auftrag: Irreführung

Drei Abteilungen des Ministeriums für Staatssicherheit waren es im Wesentlichen, die mit der "Bearbeitung des Feindobjektes TAZ" beschäftigt waren. Neben der Hauptabteilung XXII/8 (Terrorabwehr) gab es da die Hauptabteilung II/13, die zuständig war für die "abwehrmäßige Bearbeitung gegnerischer Presseerzeugnisse" und die Abteilung X der "Hauptverwaltung Aufklärung" (HVA), die lange Jahre von Markus Wolf geleitet wurde.

Die Abteilung X des Auslandsspionagedienstes blieb auch nach der Stasi-Auflösung lange Zeit eine geheimnisumwitterte Einrichtung. Ihr oblagen sogenannte "aktive Maßnahmen", auch bekannt als "Konter-Propaganda" oder schlicht als "Desinformation". Das Meisterstück dieser Abteilung war 1988 die Fälschung eines Briefes, in dem der verstorbene schleswig-holsteinische Ministerpräsident Uwe Barschel einen Hilferuf an den CDU-Landesvorsitzenden und Bonner Finanzminister Gerhard Stoltenberg richtete.

Sechs Monate nachdem Barschel tot in der Badewanne eines Genfer Hotels aufgefunden worden war, erweckten die Desinformationsspezialisten den Eindruck, dass Stoltenberg von Barschels schmutzigen Tricks gegen seinen SPD-Rivalen Björn Engholm gewusst haben müsse. Die Fälschung war gelungen, nicht nur taz und Spiegel fielen darauf herein - selbst die Witwe Barschels bescheinigte ihr Echtheit.

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Das ist Aids:

Die Krankheit: Aids bezeichnet, als englischsprachige Abkürzung, ein "erworbenes Immundefektsyndrom". Verantwortlich für den Zusammenbruch des körpereigenen Abwehrsystems ist das HI-Virus. Übertragen wird dieses durch Kontakt mit Schleimhäuten oder Körperflüssigkeiten, etwa Blut, Muttermilch, Sperma.

Die Epidemie: Als Epidemie geriet Aids in den frühen 80er-Jahren global ins Bewusstsein. In den USA erkrankten zunächst viele schwule Männer an diesem Syndrom.

Die Zahlen: Laut UNAids lebten Ende 2007 weltweit etwa 33 Millionen HIV-positive Menschen. In Afrika ist Aids eine heterosexuelle Epidemie - in der Altersgruppe der 15- bis 49-Jährigen sind in einigen Ländern bis zu 33 Prozent infiziert.

Vorsorge: Präventionsmittel beim Sex: Kondome.

Stefan Heym teilte dem taz-Redakteur unumwunden mit, erinnert sich Widmann, er müsse sich das Skript sofort angucken, dürfe es nicht weiter prüfen lassen – und solle sich entscheiden: es zu nehmen oder es abzulehnen. Widmann: „Da gab es keine Wahl.“ Die taz war noch nicht ein überregionales Medium unter anderen, sondern eine Zeitung, die ihre Relevanz über die Ökoszene hinaus erst noch zu beweisen hatte – der sozialistische Schriftsteller, später, kurz nach dem Fall der Mauern, als PDS-Abgeordneter Alterspräsident des Deutschen Bundestages, war ein honoriger Skriptgeber.

Als der Feuilletonmann in die Redaktionsräume der taz zurückkam, zeigte er dem damals für das betreffende Thema zuständigen Kollegen das Material. Kuno Kruse, nach Stationen bei der Zeit und beim Spiegel heute Reporter beim Stern, riet ab: „Das ist Quatsch.“ Widmann, weniger an Wahrheit als an Aufmerksamkeitsorganisation interessiert, setzte sich durch: „Wenn eine interessante These in der Welt ist, muss die Welt sie kennen lernen.“ Aufgabe einer Zeitung sei es, die Debatte zu organisieren.

Was Widmann in petto hatte, war die heißeste Hysterieware, die die Welt damals im Angebot hatte: Aids. Am 18. Februar 1987 veröffentlichte die taz ein Interview von Stefan Heym mit dem Ostberliner Biologen Jakob Segal. Überschrift: „Aids. Man Made in USA“. Aids – die Immunschwächekrankheit, deren tödliches Virus hauptsächlich sexuell übertragen wird, sei einem Laborunfall im US-amerikanischen Militärforschungsinstitut Fort Detrick geschuldet.

Kuno Kruse, der taz-Redakteur, in dessen Themenbereich Aids gehörte, weiß noch heute, dass „das einschlug wie eine Bombe“. Die linke Szene habe die These begierig aufgesogen: Endlich, so wurde es rezipiert, hat die Krankheit nicht nur einen Namen, sondern auch einen Schuldigen: die USA, unter dem damaligen Präsidenten Ronald Reagan ohnehin Feind Nummer eins.

Dass die Geschichte hinter der Geschichte von Geheimdienstlichem, Infiltrationen und nützlichen Idioten(medien) handelte, kam erst sehr viel später heraus – Anfang der Neunzigerjahre, als die Stasiarchive öffentlich wurden und ehemalige Geheimdienstler zu sprechen begannen. Die Abteilung X des Auslandsspionagedienstes blieb lange Zeit eine geheimnisumwitterte Einrichtung. Ihr oblagen sogenannte „aktive Maßnahmen“, auch bekannt als „Konterpropaganda“, als „Desinformation“. Die meisten HVA-Akten sind vernichtet.

Als Günter Bohnsack zum Gespräch im Lokal „Efinger“in Berlin-Hohenschönhausen eintrifft, nah der ehemaligen Stasizentrale, sagt er nur verächtlich: „In drei Reihen standen die Tschekisten am Tresen und beglückwünschten sich zur erfolgreichen Arbeit“ – grobschlächtig, auf direkte Einschüchterung und Gewalt setzend. Bohnsack fühlte sich wie ein in globalen Dimensionen denkender Stratege, der auf eine enthemmte Horde von Sicherheitshooligans guckt.

Die Angehörigen der Wolf-Abteilung verstanden sich hingegen als Elite, als das Tafelsilber der DDR-Sicherheit, mit dem man sich an allen Tischen sehen lassen könne. Bohnsack, der anders als viele seiner Kollegen schon kurz nach dem Fall des Eisernen Vorhangs über seine Tätigkeit Auskunft gab, berichtet freimütig, dass seine Abteilung die Aids-Desinformation auch dem populären Schriftsteller Johannes Mario Simmel unterzujubeln wusste – sie floss schließlich in dessen 1990 veröffentlichten Roman „Mit den Clowns kamen die Tränen“ ein. Markus Wolf „stapelte damals gleich zehn Exemplare des Buches auf seinem Schreibtisch und schwärmte von der Millionenauflage“, erinnert sich Bohnsack. Seine Rolle in der Desinformationskampagne in Sachen Aids (Codenamen: „Infektion“ und „Vorwärts II“) war nach eigenem Bekunden: „Ich war der Hauptverantwortliche bei uns in der Abteilung.“

Die taz als Medium war kostbar: „Wir haben schon gewusst, wofür man die taz benutzen kann. Das lag ja auf der Hand.“ Eine Zeitung, die aus der Perspektive der Edelrealsozialisten vom Schlage Markus Wolfs nicht auf Linie lag – aber genau deshalb starkes Gewicht in den dissidenten und oppositionellen Szenen der Bundesrepublik hatte.

Das taz-Interview Stefan Heyms mit Jakob Segal – möglicherweise bewusst erst appetitlich gemacht auch durch die Desinteresse bekundende Bemerkung des Pressemannes des DDR-Außenministeriums – passte in die Strategie des Hauses Markus Wolf. Anders als sein Rivale Erich Mielke verfügten Wolf und die Seinen über vorzügliche Kontakte in die sowjetischen Geheimnisse, aus alten Komintern-Tagen auch zum KGB.

Unstrittig ist, dass die These von den aus einem US-Labor entwichenen Aids-Erregern ein Gespinst sowjetischer Provenienz ist – nicht mehr herauszufinden ist allerdings, ob Jakob Segal mit dieser ihm zugeschriebenen Variante von der Genese dieses Virus durch sowjetische Kollegen inspiriert wurde. In einer handschriftlichen Notiz Günter Bohnsacks an den US-Forscher Thomas Boghardt von 2008 heißt es, Segal war „tatsächlich ein IM der Russen, aber auch ein Kontakt des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR“.

Ungeklärt bleibt auch, wodurch – oder durch wen – Stefan Heym auf seine alten Tage, zwar gelernter Journalist, aber journalistisch seit Jahrzehnten nicht mehr rührig, auf die Idee kam, Segal zu einem ihm fremden Thema zu interviewen und dieses Gespräch in den Kreislauf westlicher Medienöffentlichkeit zu pumpen. War Heym, wie der einstige taz-Kulturredakteur Arno Widmann glaubt, wie auch Günter Bohnsack es nicht ausschließen will, auch ein Spieler am großen Tisch der Geheimdienste? Hat er zumindest geahnt, dass das Interview mit Jakob Segal nur ein Puzzlestück im Großen und Ganzen geheimdienstlicher Infiltrationen war? Bohnsack: „Ich bin ganz sicher, dass er das wusste.“

Inge und Stefan Heym, so erinnert Ex-tazler Kruse, waren mit den Segals eng befreundet – aus Generationenverbundenheit heraus, gewiss, aber auch, weil sie die Jahre des sozialistischen Aufbaus ebenso verband wie die Erinnerung an den nationalsozialistischen Wahn.

1911 im russischen Sankt Petersburg geboren, kam Jakob Segal mit seinen Eltern als Kind nach Königsberg, studierte zunächst Biologie in Deutschland, ehe er, seines Jüdischseins wegen, vor den Nationalsozialisten fliehen musste. Glühender Kommunist, der er schon vor 1933 war, schloss sich Segal in Frankreich der Résistance an. Seine Frau Lilli, eine der wenigen Auschwitz-Insassinnen, denen es zu entkommen gelang, lernte er nach dem Zweiten Weltkrieg kennen. 1953 erhielt er, treu auf den Aufbau des Sozialismus auf deutschem Boden eingeschworen, einen Ruf an die Humboldt-Universität in Berlin. 1971 wurde er emeritiert – und konnte als Pensionär nach Westberlin in die dortigen Bibliotheken gehen, um sich wissenschaftlich auf dem Laufenden zu halten.

Kuno Kruse, der sich nach der Publikation des Heym-Interviews öfter mit den Segals traf, erzählt, über die Literaturstudien habe Segal zu seiner Aids-Theorie gefunden. Ob Segal wusste, dass die These von US-Urheberschaft des HI-Virus ein KGB-Geschöpf war, ist nicht überliefert.

Segal ließ sich gern von Heym interviewen. Es war ihm wohl recht, auf diese Weise über seine Emeritierung hinaus als Mann von wissenschaftlichem Rang wahrgenommen zu werden. Immerhin gab es da Nachholbedarf: Die Liste relevanter Veröffentlichungen, die Segal stets als Belege für seine Seriosität anführte, ist vergleichsweise nichtig.

Segals Aids-Theorie wurde zügig von Medizinern und Biologen zurückgewiesen – neben zahlreichen Unstimmigkeiten wog das Argument schwer, dass Segal nie selbst klinische Studien betrieben, sondern sein Wissen nur aus Zeitungen und Fachpublikationen gezogen hatte. Die Annahmen Segals waren auch schon 1987 überholt, bereits vor dem behaupteten Laborunfall 1975 hatte es beobachtete Krankheitsbilder gegeben, die Aids, ohne dass sie diesen Namen bekamen, gleichkamen: die Zerstörung des Immunsystems durch ein Virus. Und das waren Empirien, die auch zum Zeitpunkt der Heym-Segal-Veröffentlichung gewusst werden konnten.

Die Bilanz der Propaganda für den KGB wie für die Auslandsabteilung der Staatssicherheit war jedoch, allen wissenschaftlichen Erwägungen zum Trotz, fulminant. Die linke Szene der Bundesrepublik hatte Stoff für ihre Weltanschauung von den USA als Wurzel allen Übels erhalten. Schon ein Jahr vor der taz-Veröffentlichung hatte der KGB die These am Rande der Konferenz der blockfreien Staaten 1986 in Harare, Simbabwe, gestreut. Afrikanische Staatsführer, erinnert sich Günter Bohnsack, nahmen diese Theorie dankbar auf. Zuhörer in Harare waren auch Vertreter der südafrikanischen Befreiungsbewegung ANC, aus der, mit dem Ende des Apartheidsregimes 1989, die Regierungspartei werden sollte – über lange Jahre notorische Aids-Leugner und Verharmloser.

Ende 1987 drehte sich der Wind; in der UdSSR hatte Michail Gorbatschow, seit März 1985 Generalsekretär des ZK der KPdSU, die alte Garde abgelöst. „Perestroika“ und „Glasnost“ waren die Zauberworte jener Jahre, Umstrukturierung und Transparenz. Als US-Diplomaten sich offiziell bei ihren sowjetischen Kollegen über die Desinformationen Moskauer und Ostberliner Geheimdienste beschwerte, nahm sich Gorbatschow des Falles an und untersagte das weitere Engagement in Sachen Aids-Konterpropaganda.

Segal aber, der immer bestritt, „im Auftrag der Stasi“ gehandelt zu haben, blieb seiner Sache treu. Enttäuscht zeigte er sich seinen Freunden im Parteiapparat gegenüber, dass man ihn nicht in der DDR veröffentlichen ließ. Und im westlichen Ausland, stellte er nicht minder bitter fest, werde er nur hin und wieder zu Diskussionen eingeladen.

Seine These verfocht er bis zum seinem Tod 1995 weiter; in der Bundesrepublik erschienen seine Schriften im Verlag Neuer Weg, der der MLPD (Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands) gehörte. Wieder und wieder betonte er, dass der medizinisch-industrielle Komplex an teuren Therapien deshalb interessiert sei, weil sie Profite brächten – er empfehle es preisgünstiger. Sein Zaubermittel hieß Aspirin, bereits zwei Tabletten pro Tag reichten, um das Aids-Virus in Schach zu halten. Vorhalte, dass sich Menschen, die dieses gewöhnliche Schmerzmittel nähmen, dennoch mit dem HI-Virus anstecken könnten, wies er ungerührt zurück.

War er ein Wissenschaftler, der auf seine alten Tage ein Star werden wollte – typisches Schicksal von Professoren, die mit der Pensionierung weiterhin die Macht über Deutungen und Einflüsse haben möchten? Ein Mann und eine Frau, die ihren in früher Jugend antrainierten Reflexen nicht widerstehen konnten, Schuldige zu suchen, genauer: kapitalistische Schuldige?

In der Bundesrepublik verfing ihr Diskursvorschlag zwar bei Teilen der Linken, nicht jedoch in jenen Kreisen, die das Thema direkt betraf: bei Blutern, Drogensüchtigen und Schwulen. Hat Segals These dort auf die Gesundheitspolitik Einfluss gehabt? Rolf Rosenbrock, Gesundheitswissenschaftler am Wissenschaftszentrum Berlin und Ende der Achtziger Mitglied der Aids-Enquete-Komission von Gesundheitsministerin Rita Süssmuth, wird zornig, kommt die Rede auf Jakob Segals Invektiven: „Wir hatten ganz andere Sorgen. Uns war es egal, woher das Virus kommt. Wir hatten mit dem Streit zwischen Peter Gauweiler und Rita Süssmuth zu tun.“ Er wollte auf HIV-Infizierte das Bundesseuchengesetz anwenden, sie war Verfechterin einer auf Aufklärung und Prävention setzenden Politik.“ Aufklärung und Prävention setzenden Politik.

Aber auch wenn die Stasi-Desinformation in der bundesrepublikanischen Präventionsdebatte keine Rolle spielte, hat sie dennoch eine üble Erbschaft hinterlassen. Gerade in jenen Ländern, in denen sich Verschwörungstheorien am hartnäckigsten halten, hat Aids tatsächlich die Qualität einer Epidemie angenommen – in den Ländern der früheren Sowjetunion und auf dem afrikanischen Kontinent.

Aids einzudämmen, heißt vor allem, über Sexuelles sprechen zu müssen, nicht über Laborunfälle. Also über Kondome, Testverfahren und soziale Strategien, Diskriminierung von HIV-Infizierten zu verhindern. In Südafrika, Simbabwe, Mosambik und anderen Ländern ist Aids kein schwules Problem oder eines von Drogennadelnutzern, sondern von Heterosexuellen.

Aids-Aktivist Edwin Cameron, dessen Buch „Tod in Afrika“ in Südafrika zu den wenigen aufklärenden Publikationen zählt, sagt: „Thesen wie die von Segal haben viele Jahre Prävention in Afrika verhindert – die Menschen glauben weiter, Aids komme aus den USA, von Touristen, von Schwulen.“ Südafrikas Präsident Jacob Zuma schwört öffentlich immer noch auf eine Dusche nach kondomlosem Sex. Er spricht, klagt Cameron, aus dem Herzen seines Landes.

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Gegendarstellung

Auf der Website „www.taz.de“ wurde ab dem 11.01.2010 ein Artikel über die These vom CIA-erfundenen Aids-Virus mit der Überschrift „Als die Stasi uns benutzte“ verbreitet. Darin wurde Folgendes berichtet:

„Er [Peter Gauweiler] schlug Internierungslager für HIV-Infizierte vor, sie [Rita Süssmuth] war Verfechterin einer nicht aufs Strafen, sondern auf Aufklärung und Prävention setzenden Politik“

Hierzu stelle ich fest:

Ich habe nie die Einrichtung von Internierungslagern für HIV-Infizierte vorgeschlagen, insbesondere auch nicht als Strafe.

München, den 18. Januar 2010

Dr. Peter Gauweiler

Anmerkung der Redaktion:

Gemäß § 56 des Rundfunkstaatsvertrages ist die taz verpflichtet, Gegendarstellungen unabhängig von ihrem Wahrheitsgehalt zu veröffentlichen. Dr. Peter Gauweiler forderte im Jahr 1987 keine Einrichtung von Internierungslagern für HIV-Infizierte. Er schlug deren Behandlung nach dem Bundesseuchengesetz vor, das zwar nicht explizit für HIV-Infizierte, aber allgemein in bestimmten Fällen eine Absonderung von Erkrankten vorsah.

Richtigstellung:

Auf www.taz.de war unter der Überschrift „Als die Stasi uns benutzte“ über die These vom CIA-erfundenen Aids-Virus u.a. zu lesen, der CSU-Politiker Dr. Peter Gauweiler habe im Jahr 1987 Internierungslager für HIV-Infizierte vorgeschlagen. Das ist falsch. Dr. Peter Gauweiler forderte keine Einrichtung von Internierungslagern für HIV-Infizierte. Er schlug deren Behandlung nach dem Bundesseuchengesetz vor, das zwar nicht explizit für HIV-Infizierte, aber allgemein in bestimmten Fällen eine Absonderung von Erkrankten vorsah. Die Redaktion

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6 Kommentare

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  • R
    reblek

    Der schlechte Stil des Artikels wird wohl daher rühren, dass die Autoren mächtig an der Verantwortung von Widmann und taz vorbeischreiben mussten:

     

    "Widmann ... war nicht zimperlich. Mit bestem journalistischem Gespür kalkulierte er kühl: 'Es ist besser, einen Heym im Original im Blatt zu haben als keinen Heym.'"

     

    Mit Verlaub, die taz wehrt sich immer wieder dagegen, mit dem Stil von BILD verglichen zu werden. Was aber ist, bitte schön, dieses hochgelobte "beste journalistische Gespür" anderes als sensationsheischende BILD-Masche?

  • MH
    maud hansson

    Liebe "Tageszeitung", es zeigt nur Ihr unbedingtes "Recht-haben-wollen" gegenüber allem, was nicht links und "gut" ist. Dies zieht sich nun mal durch die gesamte Geschichte dieser Zeitschrift. Man könnte lachen, wenn es nicht Menschen gäbe die auch nur ein einziges Wort Ihres "Geschreibsels" nicht als Propaganda deuteten. Die Selbstkritik, die keine ist, kommt sowieso zu spät. Viel Erfolg noch weiterhin. Keine freundlichen Grüße. Maud

  • T
    Thomas

    @ taz: Ihr speichert die IP-Adressen. Hebt dies bitte deutlich hervor.

     

    @ taz 2: Die Selbstkritik finde ich sehr gut, leider fehlt das meist in der Publizistik.

    Könnte die TAZ beim Spiegel nachfragen, was dieser zur Aufarbeitung der Zeit des kalten Krieges in eigener Sache zu sagen hat.

     

    @ bob: Der Schreibstil ist wirklich nicht sonderlich gut.

    Aus Gesamtschulen und politisierten Hochschulen kommen keine qualifizierten Autoren.

  • TW
    thomas wirth

    Und woher sollen wir wissen, ob Sie bei diesem Artikel nicht vom CIA benutzt wurden? :-)

  • B
    bob

    Klang echt interessant der Artikel, aber so unleselich geschrieben, dass ich nach einem Viertel aufgegeben habe.

  • LC
    Lucas Castro

    Liebe taz

    danke, dass Ihr über dieses Thema wiederholt berichtet. Diese Berichterstattung offenbart das, was ich an der tageszeitung schätze und in letzter Zeit manchmal vermisst habe: Ojektivierendes Kritikpotential. Objektivierend nicht deswegen, weil es seine Meinung versteckt, sondern weil es mit seiner Kritik soweit geht, die Wertmaßstäbe offenzulegen und an sich selbst anzulegen.